Von Solidarisierungen und Dränglern

Am Rande des Prozesses am Ladgericht Erfurt kommt es immer wieder zu Zwischenfällen seitens der Zuschauer*innen. Ein ziviler Prozessbeobachter gewährt im Interview einen Einblick dazu.

Wie wirkt sich denn die Corona-Pandemie auf diesen Prozess aus?

Der Prozessbeginn verschob sich aufgrund von Corona. Es gibt nun 1,5m Abstand zwischen den Stühlen im Zuschauer*innenraum, weshalb viel weniger Menschen reingelassen werden. Dementsprechend lang ist morgens die Schlange vor dem Saal, die sich schon einige Zeit vor Prozessbeginn bildet, sodass auch immer einige Menschen nicht rein kommen.

Wer steht denn da nach euren Beobachtungen noch so mit euch in der Schlange?

Immer sind Menschen von der Presse da, wenn auch eher wenige und der Vater eines Angeklagten. Vermeintliche Polizisten und Polizistinnen stehen auch in der Schlange, wobei die allermeisten tatsächlich männlich sind und ein ziemlich großes Interesse an der Teilnahme des Prozesses haben. Außerdem gibt es einige zivile Zuschauer*innen.

Was für ein Interesse haben denn die Beamten an dem Prozess?

Das kann ich natürlich nicht sagen, es gab nur Vorfälle, bei denen sich Cops in der Schlange am Gebäudeeingang vordrängelten. Oder einfach andere Personen dreist anlogen, sie würden in einen anderen Pozess gehen und saßen kurz darauf im Saal. Also die hatten echt ein richtig großes Interesse daran, den Prozess mitzubekommen.

Was passiert denn in solchen Momenten und gab es weitere Zwischenfälle oder Begegnungen dieser Art?

Die Leute in der Schlange waren erstmal total perplex. Keine Ahnung, was da für eine Motivation dahinter steckt.
Und es ist einfach auch ein komisches Gefühl, dass sich einige Zuschauer*innen in der Schlange darüber unterhalten, ‘wie schwer diese Zeit jetzt für die beiden armen Angeklagten ist’. Und das war nicht der einzige Solidarisierungskommentar. Ein junger Mann in der Schlange war der Meinung, man sollte das Verfahren einfach einstellen. Die Frau [Anmerkung Red.: die Nebenklägerin] sei ja nicht da. Und wenn er sich von seiner Freundin trennen würde und die beiden zwei Wochen später nochmal Sex hätten, und die Freundin dann sagen würde, es sei eine Vergewaltigung gewesen, dann würde ihm ja auch keiner glauben…
Naja, aber auch die Unschuldsvermutung ist ja schon ein sehr hohes Gut in unserem Rechtsstaat. Es bleibt aber dabei, das zwei Beamte mit Waffen im Dienst Geschlechtsverkehr mit einer Frau im Gewahrsam hatten und es einige extrem driftige Be- und Hinweise dafür gibt, dass dies nicht einvernehmlich passiert ist. Ich kann da einfach nicht verstehen, wie sich Menschen darüber aufregen können, dass in diesem Fall ermittelt wird. Und es ist einfach gruselig zu sehen, wie sowohl in den Zeug*innenaussagen von Polizist*innen als auch im Zuschauer*innenraum so ein latenter Hauch von Korpsgeist mitschwingt. So nach dem Motto: “Was! Wir von der Polizei können gar keine Verbrechen begehen. Welch kruder Vorwurf.”

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