Q-tips für „Q“

Als Anfang der 2000er eine Thrillerreihe rund um den rätsellösenden Harvard-Professor Robert Langdon erschien, war nicht klar, dass das kommende Jahrzehnt ganz im Zeichen der Verschwörungen in Buch und im Kino stehen würde. Verkörpert durch Tom Hanks begab sich eben jener Robert Langdon auf die Suche nach der Wahrheit durch „Da Vinci Code“, „Illuminati“ und „Inferno“. Mit abenteuerlichen Reisen und mit kryptische Rätseln, die 200 Jahren lang nicht gelöst werden konnten (aber durch Langdon meist in 5 Minuten geknackt wurden), erreichten diese Geschichten ein Millionenpublikum auf der ganzen Welt und schuf eine ganze Reihe an Nachfolgefilmen und Büchern. Und nur ein Jahr nach dem letzten Film begann „Q“, eine ähnliche Rätselschnitzeljad im Internet zu inszenieren. Die Massen, eingelullt von einem Jahrzehnt popkulturellen Popcornverschwörungen und immer bereit, das Böse im Anderen zu suchen, nahm diese Quest mit Freude auf. „Q“ ist dabei so etwas wie ein Dungeonmaster und hat nach eigener Angabe eine Top-Secret-Freigabe des US Regierung („Q Clearance“) und direkten Zugang zu Donald Trump. Immer wieder verteilt er nebulösen Andeutungen in Forenposts („Q-Drops“) die seine Fangemeinde zu weiteren Recherchen animieren soll. Anfangs waren die Posts sogar sehr konkret: „Q“ nannte ein Datum an dem Hillary Clinton verhaftet werden sollte oder wann liberale Journalisten sterben sollten. Doch als diese Ereignisse nicht eintraten, wurden die Posts immer kryptischer und ironischerweise stieg dadurch ihre Popularität. Kernthese von „QAnons“ ist, dass die Demokrat:innen und der „Deep State“ in den USA die Errichtung einer weltweiten Superdiktatur vorbereiten und nur Donald Trump diese stoppen kann. Anders als manch andere Verschwörer ist „Q“ bereit, so ziemlich jeden Blödsinn in die eigene Geschichte zu integrieren: Die Demokrat:innen betreiben einen Pädophilienring und trinken das Blut von Kindern um ewiges Leben zu haben, Corona ist eine Erfindung der Eliten, um Trump zu brechen, die Weltbevölkerung zu dezimieren oder per Impfung mit Mikrochips zu versehen. Und hinter allem stecken – das ist leider keine Überraschung – die Juden. Obwohl Donald Trump doch ohne Frage der israelfreundlichste Präsident der letzten Jahrzehnte gewesen ist. Aber was kümmern „Qanon“-Anhänger:innen solche nebensächlichen Widersprüche. Was sich wie die Blaupause für den nächsten Robert-Langdon-Film anhört, hat jedoch schon zu einer ganzen Reihe an Straftaten bis hin zu mehreren Morden geführt. Und Qanon-Anhänger:innen haben auch in Europa ihren Netze ausgeworfen: Die eigentlich sehr US-lastige Erzählung wird munter an schon bestehende europäische Verschwörungstheorien angedockt und diese integriert. So glauben inzwischen auch deutsche Reichsbürger:innen und Impfgegner:innen an die rettende Kraft des amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Wohlgemerkt dieselben Leute, die noch vor einem Jahr davon gefaselt haben, dass ihr Deutschland noch immer von den USA besetzt ist. Aber zum Glück rettet am Ende eines jeden Langdon-Werks der Professor die Welt in letzter Sekunde. Es bleibt also die Frage welch dramatisches Ende sich „Q“ ausdenken wird.

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