Wie Polizei und Staatsschutz Linksradikale jagen

Eine Rezension von Fabian.

In Sachen Terrorismus sind die Prioritäten deutscher Sicherheitsbehörden klar gesetzt. Wenn eine linksradikale „militante gruppe“ (mg) Brandanschläge auf Polizei-, Firmen- oder Bundeswehrlogistik verübt, dann ist das eine andere Qualität, als wenn Neonazis im Untergrund ein Netzwerk aufbauen und jahrelang Menschen erschießen. Bei erstem zieht man alle Register, bei letzterem bringt man lieber alle Register 120 Jahre unter Verschluss.
„Mit aller Härte“ ist der Titel von Frank Brunners Buch aus dem Jahr 2017. Er begleitet in seiner Erzählung den Weg mehrere Linksradikaler, denen später vorgeworfen wurde Teil der „mg“ gewesen zu sein. Das Buch bezieht sich dabei auf Protokolle, Ermittlungsakten und natürlich Erzählungen derjenigen, die vom deutschen Staat observiert, überwacht und schließlich vor Gericht gebracht worden sind.
Brunner beschreibt mehrere Phasen der Ermittlungen, der Verhaftungen und des Prozesses gegen die „mg“, wobei der Fokus auf die Begleitung des Hauptakteurs Oliver Rast liegt. Rast wurde 2010 zu dreieinhalb Jahren verurteilt, da das Gericht eine Mitgliedschaft und Tatbeteiligung an Aktionen der „mg“ als erwiesen ansah. In den Beschreibungen Brunners wirkt Oliver Rast wie ein Vorzeigeproletarier, der selbst im Knast noch die Gefangenengewerkschaft (GGBO) aufbaute. An manchen Stellen driften die Beschreibungen von Rast fast schon in eine Art Personenkult ab. Vor allem wenn man als aufmerksamer Leser schon nach den ersten Kapiteln begriffen hat, dass Rast ein Vorzeige Antiimperialist und Kommunist ist, so dass man sich bei der dritten ausführlichen Beschreibung des Proletarier-Pathos fragt, was Brunner hier alles auf Rast projizieren möchte. Doch angesichts der aufgeführten Repressionen des deutschen Staates gegen eine linksradikale Zelle mit Brandsatzanleitung – stilecht aus der „radikal“ – braucht es vielleicht auch die Figur des standhaften Linken als Protagonisten. Denn mit jedem weiteren Kapitel fällt es selbst den hartgesottenen Autonomen schwer, nicht doch mit dem Kopf zu schütteln.
Immer wieder fällt auf, dass BKA, LKA‘s und der Verfassungsschutz über Jahre einen enormen Aufwand betrieben haben um die „mg“ zu verfolgen, dass es schon erstaunlich ist, wie wenig sie am Ende wirklich über die Gruppe herausgefunden haben. Dafür wurde alles was an der Hand von Ermittlungsführern und Staatsanwälten links des kleinen Fingers war durchleuchtet und auspioniert. Mehrere Menschen aus der radikalen Linken in Berlin der 2000er wurden systematisch abgehört und überwacht. Aus einer Verabredung zum Kaffee schlussfolgerten Beamte eine Absprache weiterer Anschlagsziele. Ein Kneipenabend von Freunden wurde zum Redaktionstreffen des autonomen Blattes „radikal“. Alles war möglich, aber am Ende war die radikale Linke in den 2000ern in Berlin doch harmloser, als es sich so mancher ambitionierter Beamter erhofft hatte. Vielleicht auch deshalb schlüpften Berliner Staatsschützer selbst in den schwarzen Kapuzenpulli um an einem von ihnen geschriebenen und unter einem Pseudonym eingeschickten Artikel in der „interim“ die „mg“ zu provozieren und eine Militanz-Debatte in dem autonomen Blättchen loszutreten. Man stelle sich nur mal vor, der Thüringer Staatsschutz tritt unter falschen Namen in der Lirabelle eine Debatte über gendergerechte Sprache auf Partyflyern der Linken im Veto los. Die Szene wäre die nächsten Monate nur mit sich selbst beschäftigt.
Während die Ermittlungen gegen die „mg“ schon allerlei Absurditäten, mit zum Teil schwerwiegenden Konsequenzen für Betroffene lieferten, geht Brunner am Ende auf den Prozess gegen die vier Hauptangeklagten ein. Hier verdeutlicht sich anhand einer übersichtlichen Protokollierung der Prozesstage, was in den vorherigen Kapitel vor allem aus der Sicht der Observierten geschildert wurde. Es entsteht ein Gesamtbild, wie der Staat die radikale Linke ins Visier nahm und nimmt. Beamte in aufwendigen Kostümen, um von potenziellen linken Terroristen vor Gericht nicht erkannt zu werden, erzählen von abenteuerlichen Operationen an dessen Ende keinerlei Erkenntnisgewinn stand oder sagen vor Gericht einfach nichts. Vor allem die eingesetzten Mitarbeiter des Verfassungsschutzes dürfen nach eigenen Angaben meist nichts sagen. Generell scheinen Beamte im Sicherheitsapparat vor Gericht lieber das zu sagen, was sie alles nicht wissen, als das was sie wissen. Das Ausmaß der Repression und der Schilderungen Brunners über die Betroffenen zeigt aber nicht nur mit welcher Härte der Staat gegen Linke vorgeht, sondern auch, dass es nicht das Ende ist. Sondern mit genügend Mut und Solidarität auch dieser Repression begegnet werden kann. „Mit aller Härte“ von Frank Brunner ist ein lesenswertes szenisches Protokoll einer Jagd des Staates auf Linke. Deren Ausmaß zwar durchaus beängstigend ist, aber letztlich klar wird: Der Kampf geht weiter!

Frank Brunner: Mit aller Härte – Wie Polizei und Staatsschutz Linksradikale jagen. Köln, Bastei Lübbe 2017, 256 Seiten, 15€.

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