Erfurt im Nationalsozialismus – Geschichte via Smartphone

Über die Möglichkeiten und Grenzen des digitalen Formats schreibt Annika.

Seit langer Zeit führt die Gruppe „Erfurt im Nationalsozialismus“ des DGB Bildungswerks Thüringen Stadtrundgänge durch. Aufgrund der Corona-Pandemie musste das Angebot im letzten Jahr stark zurückgefahren und zeitweilig ganz eingestellt werden. Daraus erwuchs jedoch die Idee, das über die Jahre angesammelte Wissen zur Geschichte von Orten in der Stadt auch digital zugänglich zu machen. Herausgekommen ist nun ein Multimedia-Guide, mit dem jede*r mit seinem*ihrem Smartphone oder Tablet die Innenstadt erkunden kann.

Steht man heute vor dem Erfurter Anger 1, sieht man nicht mehr, was man noch in den 1920er Jahren auf dem Dach des Gebäudes erblicken konnte – eine große gläserne Weltkugel, einstiges Wahrzeichen des Kaufhauses „Römischer Kaiser“. Denn die Kugel wurde 1937 demontiert – infolge der Enteignung der jüdischen Kaufhausgründer Arthur Arndtheim und Siegfried Pinthus durch die Nationalsozialisten. Dass man als Besucher*in des Angers über die Kugel, bzw. über die Vorgeschichte ihres Verschwindens im Alltag nichts erfährt, dass bis heute nicht einmal eine Informationstafel auf die Geschichte dieses bekannten Erfurter Gebäudes hinweist, lässt vermuten, dass auch die gravierenden Folgen, die der Nationalsozialismus für die Familien Pinthus und Arndtheim hatte, vielen Menschen unbekannt sein dürften. Geschichten wie diese möchten wir deshalb mithilfe unseres neuen Multimedia-Guides erzählen. Das Angebot, das vom Prinzip her einem Audioguide im Museum ähnelt, zeigt an insgesamt neun Stationen auf, wie sich der Nationalsozialismus innerhalb der Erfurter Stadtgesellschaft konsolidieren konnte und was das für all diejenigen bedeutete, die aus rassistischen oder anderen Gründen nach 1933 nicht mehr Teil der imaginierten „Volksgemeinschaft“ sein durften oder wollten. Wir versuchen damit, in Zeiten von Corona und darüber hinaus, einen Teil der Inhalte, die wir sonst in unseren Stadtrundgängen vermitteln, auch Einzelpersonen zugänglich zu machen und damit Hürden abzubauen, sich mit der Stadtgeschichte im Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Die Gespräche, die wir bei unseren Rundgängen mit unseren Teilnehmer*innen führen, kann das neue Angebot selbstverständlich nicht ersetzen. Wir haben deshalb zumindest versucht, inhaltliche „Nachfragen“ zu schwierigen Begriffen zu ermöglichen und dafür Lexikonartikel angelegt, die ebenfalls in der App zu finden sind. Einen Eindruck vom historischen Stadtbild liefern im digitalen Format statt unserer Beschreibungen historische Fotografien. Politische Diskussionen und einen lebendigen Austausch können dadurch sicherlich nicht ersetzt werden, aber vielleicht findet der Eine oder die Andere über den digitalen Guide ja auch den Weg zu unseren Rundgängen, in denen wir noch viele weitere Stationen beleuchten und dazu diskutieren können. Wir freuen uns sehr über Feedback und Anregungen für Verbesserungen, denn Erweiterungen des Angebots sind bereits geplant.

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