Einige sehr schöne Verschwörungstheorien wurden erfunden, um damit politische Gegner an der Nase herumzuführen. Ein aktuelles Beispiel ist „Birds aren‘t real“. Die Geschichte dahinter besagt, die US-amerikanische Regierung habe 1959 sämtliche Vögel ausgerottet und durch Überwachungsdrohnen ersetzt, die – aufgepasst – nur deswegen auf Hochspannungsleitungen sitzen, weil sie dort ihre Akkus aufladen. Es spricht sehr viel dafür, dass der US-amerikanische Student Peter McIndoe das erfunden hat, um Trump-Anhänger*innen zu trollen und seitdem durchs Fernsehen tingelt und die Journalist*innen trollt, die offen aussprechen, seine Kampagne sei Satire. Das ist lustig anzusehen und für „Zynikerschweine“ (Max Goldt) eine schöne Bestätigung dafür, dass die Welt wirklich so blöd ist, dass man sich nur noch darüber lustig machen kann.
Die Idee, den politischen Gegner mit einer konstruierten Verschwörung lächerlich zu machen, ist indes nicht neu: Von der Hippie-Band „Country Joe and the Fish“ (die gab‘s wirklich) wird erzählt, sie habe 1967 in die Welt gesetzt, man könne aus Bananenschalen ein Halluzinogen herstellen. Im Anarchist Cookbook, einer 1969 veröffentlichten Sammlung von politischen Pamphleten und Anleitungen für die Herstellung von Drogen und Sprengstoffen, wurde die Idee aufgegriffen und ein Rezept zur Extraktion abgedruckt – das danach angeblich von der US-amerikanischen Nahrungsmittelbehörde nachgekocht wurde, um die Gefährlichkeit von Bananen zu prüfen. Eine vielleicht ungewollte Nebenfolge ist, dass auch 30 Jahre später experimentierfreudige Kiffer*innen getrocknete Bananenschalen (genau genommen die weißen Fäden, die zwischen Fruchtkörper und Schale sitzen) in den Joint drehen. Ich hab‘s probiert und kann nur sagen: Finger weg!
Ein Beispiel aus dem deutschsprachigen Raum ist die Bielefeld-Verschwörung: In der Newsgroup de.talk.bizarre ist 1994 die Geschichte aufgetaucht, Bielefeld existiere nicht, sondern werde lediglich überzeugend vorgetäuscht. Wer behauptet, in Bielefeld gewesen zu sein, sei demzufolge Teil der Verschwörung. Der Text persifliert die Denkweise von Verschwörungstheoretiker*innen und soll dadurch aufklärerische Wirkung entfalten.
Was aber, wenn so eine Geschichte aus dem Ruder läuft und am Ende wirklich geglaubt wird? Umberto Eco erzählt in „Das Foucaultsche Pendel“ die Geschichte von drei Freunden, die sich aus Spaß an der intellektuellen Herausforderung eine immens komplexe Verschwörungstheorie ausdenken, die eine mittelalterliche Wäscheliste, die italienische Staatslotterie sowie die Templer, die Illuminaten und andere genretypische Elemente zusammen bringt. Aus der Schnapsidee entwickelt sich eine verwickelte Dynamik, die darin gipfelt, dass eine gut vernetzte und aktive Schwurbler-Szene alles dafür tut, die Geschichte wahr werden zu lassen – mit unangenehmen Folgen für die drei Urheber.
Ganz ähnlich soll es in der echten Welt mit der Flat-Earther-Szene gelaufen sein: Aus einer Reihe von Gags („The truth must be spread around the globe“ etc.pp.) ist in den letzten 20 Jahren eine Szene entstanden, in der nicht wenige ernsthaft glauben, die Welt sei flach – und das, obwohl einige der Initiator*innen offen sagen, es habe sich ursprünglich um einen Hoax gehandelt.
Also mal ernsthaft nachgefragt: Stand nicht bei den meisten Verschwörungstheorien eine bewusste Fälschung oder eine Parodie am Anfang? Bei den Protokollen der Weisen von Zion war das vermutlich der Fall. Auch viel von dem Geschwurbel, dass aktuell in den Meinungsmüll-Kanälen des Internets zirkuliert – Pizzagate, Chips im Impfstoff, Reptiloiden, etc. –, entsteht als bewusstes Trolling in der maskulinistischen Subkultur der rechten und individualanarchistischen Imageboards.
So lustig die Idee ist, das auch von links zu versuchen, es kann immer schief gehen. Denn es gibt nur weniges, dass so blöd ist, dass es niemand glaubt. Behauptet man z.B. der Antifa e.V. stehe hinter den Querdenkern wie im letzten Lirabellum (einem unsäglichen Machwerk, dass den Eindruck erweckt, mit der Lirabelle verbandelt zu sein), steht drei Jahre später womöglich ein bewaffneter Nazi vor dem Innenministerium und sucht nach den Beweisen. Deswegen: Troll-Verschwörungen bitte nur in die Welt setzen, wenn sie harmlos sind. Und lustig. Wie die mit den Überwachungs-Vögeln, die auf den Hochspannungsleitungen ihre Akku aufladen.
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