- Für diese Ausgabe der Lirabelle werde ich einen kurzen Überblick geben auf das beliebteste Sanktions-Instrument der Jobcenter: die Meldepflicht.
Einige werden die Situation wohl kennen: Sofern du Leistungen nach SGBII beziehst, flattert von Zeit zu Zeit ein Brief mit dem Betreff „Einladung“ des hiesigen Jobcenters in deinen Briefkasten. Du wirst also zum Rapport gebeten; wenn du nicht hingehst, wird ein Meldeversäumnis bzw. eine Meldepflichtverletzung angenommen und eine Sanktion wird angedroht. Aufgrund des Zwangscharakters sind diese „Einladungen“ vielmehr als Vorladungen zu bewerten. Dabei sind die Abstände zwischen den Vorladungen vollkommen willkürlich. Einige von euch bekommen diese z.B. jeden Monat, andere einmalig im Jahr.
In der Regel wird dann als Grund etwas in der Art geschrieben: „Ich möchte mit Ihnen über Ihre aktuelle berufliche Situation sprechen.“ Ab und an werden auch etwas kreativere Beweggründe genannt.
Doch worum geht es hierbei eigentlich und wie lässt sich derart rechtlich bewerten?
Schauen wir zunächst in die aktuelle Statistik der BA für Arbeit vom Oktober 2014 (diese findet sich im Internet unter ebendiesen Stichworten) wird deutlich: Seit 2007 haben die Sanktionen insgesamt zugenommen, davon aber auch der Anteil der Sanktionen wegen Meldeversäumnissen. So lässt sich ein Anstieg des Sanktionsanteils wegen Meldeversäumnissen seit 2007 von 53,6% auf 72,8% im Jahr 2013 feststellen. Als Zahl gesehen, wurden 2013 etwa 1 Million Leistungskürzungen durch die Mitarbeit_erinn_en der Jobcenter verfügt, davon etwa 735.000 wegen Nicht-Erscheinens zum Vorladungstermin.
Das legt den Schluss nahe, dass diese Vorladungen hauptsächlich als Sanktions-Instrument fungieren sollen und dies auch tun.
Rechtlich gesehen handelt es sich bei diesen Vorladungen um Verwaltungsakte. Das hat insofern Bedeutung, als dass es möglich ist, Rechtsmittel dagegen einzulegen. Das ist in der Regel der Widerspruch, der innerhalb eines Monats ab Zustellung beim Jobcenter zu erfolgen hat. Allerdings, und das führt in der Praxis regelmäßig dazu, dass der Rechtsweg ausgeschlossen ist, hat der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung (§ 39 SGB II). Es ist also egal, ob du nun Widerspruch einlegst oder nicht. Erscheinen musst du trotzdem, wenn du keine Sanktion kassieren willst. Zwar gibt es die Möglichkeit, die aufschiebende Wirkung beim Sozialgericht (für Erfurt ist das in Gotha zuständig) zu beantragen, aber auch das
hat derzeit ungefähr null Erfolgschance, da das Sozialgericht Gotha mehrheitlich die Meinung vertritt, dass das schon richtig so sei, wenn das Jobcenter Erfurt Vorladungen rausschickt, weil mensch dort mit dir übers Wetter quatschen will. § 309 SGB III schreibt das freilich ganz anders vor und legt neben der allgemeinen Meldepflicht (die im Einzelfall jedoch auch hinreichend begründet werden muss) einen Katalog fest, wann du ausnahmsweise mal vorgeladen werden darfst. Daran halten sich die Jobcenter ungern, konkrete Urteile zum § 309 SGB III gibt es bisher nicht. Lediglich das Nürnberger Sozialgericht hat sich im März 2013 damit beschäftigt und festgestellt, dass „eine Folgeeinladung zu unbestimmt ist, weil der genannte Inhalt der Meldeaufforderung nicht als gesetzlicher Meldezweck im Sinne des Katalogs des § 309 Abs. 2 SGB III ausgelegt werden kann“. Gleiches wäre auch für „Erst-“Vorladungen anzunehmen.
Bei mir sind in der Angelegenheit mittlerweile fünf Verfahren anhängig, also für jede Vorladung eines. Ein Fall befindet sich bereits im Berufungsverfahren vorm Landessozialgericht.
Da wohl einige von euch auch die Lust verspüren dürften, sich gegen Jobcenter und Sanktionen zu wehren, wäre es vielleicht doch eine gute Idee, entsprechend auf die Vorladungen zu reagieren. Ein Widerspruch (fürs Jobcenter) und der Antrag auf aufschiebende Wirkung (SG Gotha) sind schnell geschrieben und auch die Klage vorm Sozialgericht bei negativem Widerspruchsbescheid lässt sich selbst formulieren. Das Verfahren selbst ist einschließlich der Berufung vorm Landessozialgericht kostenfrei und bei entsprechender Menge werden Jobcenter und Sozialgericht vielleicht ihre menschenverachtende Einstellung ändern und den Hinweis des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigen, dass Sanktionen, also Kürzungen innerhalb des Existenzminimums, grundgesetzwidrig sind und die ganze Hartz4-Scheiße sowieso.
Eine Vorlage wie Widerspruch bzw. Berufung und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung begründet werden könnten, werde ich für eine der nächsten Ausgaben vorbereiten.
Solidarische Grüße,
eure Yvette.