Die Protokolle der Weisen von Zion sind die vielleicht wirkmächtigste Verschwörungsideologie weltweit. Sie füllen die ansonsten hohlen Schädel der Knetbirnen nun schon über 100 Jahre und Versatzstücke und Motive aus den Protokollen sind in vielen anderen Verschwörungsideologien zu finden.
Das die Protokolle der Weisen eine Zusammenstellung mehrerer fiktionaler Texte ist, ist wissenschaftlich inzwischen gut belegt. Dass die Entstehungszeit Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts liegt ebenso. Doch alles weitere verschwimmt im Nebel aus Geschichte, Geheimdiensten und eben den guten alten Aluhüten. Die derzeit von der Wissenschaft bevorzugte Version sieht die Autor*innenschaft beim russischen Geheimdienst des Zaren. Anfang des 20. Jahrhunderts, als es im immer noch feudalen Russland schon ordentlich krachte, suchte das Regime des Zaren Verantwortliche, die dem Volk als Grund für ihr schlechtes Leben präsentiert werden sollten. So entstanden in Frankreich, Deutschland und Polen die Protokolle der Weisen von Zion. Gleichzeitig nutzte der Geheimdienst des Zaren, die Ochrana, die Protokolle aber auch um die Adligen und den Zaren vor „zu viel Liberalismus“ zu warnen.
Wie es sich für eine richtige Verschwörungsideologie gehört, gibt es verschiedene Versionen des Textes. Verbindendes Element bei allen ist das nächtliche Treffen der „jüdischen Führer“, die sich in den Reden ihre Pläne zur Weltherrschaft erläutern. Die Wege zur jüdischen Weltherrschaft sind aber von Version zu Version ein wenig verschieden. Häufig sind es jedoch das demokratische System, die Kulturindustrie und die Staatsverschuldung, die als Werkzeug zur Machtergreifung herhalten müssen.
Seit 1903 werden die Protokolle in Russland gedruckt und haben von dort aus einen zweifelhaften Siegeszug um die Welt angetreten. In den 1920er Jahren erlangte eine Version in den USA Ruhm und großer Verbreitung, die der Autofabrikant Henry Ford herausbrachte. Und auch die Deutschen waren nur zu gerne bereit, mit dieser Fälschung ihren glühenden Antisemitismus zu unterlegen. Obwohl der Text eine wilde Fälschung war, was schon bald nach seiner Entstehung gerichtsfest belegt wurde. 1933 bis 1935 verhandelte das Obergericht des Kanton Bern nach einer Klage des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds und der Israelitischen Kultusgemeinde Bern wegen Verstoßes gegen das bernische Gesetz über das Lichtspielwesen und Massnahmen gegen die Schundliteratur. Nach Anhörung zahlreicher Zeug*innen und Gutachter*innen war das Urteil eindeutig: Die Protokolle der Weisen von Zion seien „ein übles Machwerk, ein Plagiat und eine Fälschung.“
Allein dieses Urteil hat nichts gebracht. Noch heute werden die Protokolle in vielen Ländern reproduziert und rezipiert. Und es sind bei weitem nicht nur rechte Wirrköpfe, die die Lüge der jüdischen Weltverschwörung am Leben erhalten. Versatzstücke und Anleihen an das antisemitische Machwerk finden sich noch heute in Texten von linken Rapgruppen wie „Die Bandbreite“ über Bücher des (rechts-)esoterischen Koppverlags bis hin zu Neonazigruppierungen. Die Protokolle der Weisen von Zion sind in gewisser Weise eine gruselige Blaupause einer der ältesten Verschwörungsideologien die immer wieder modernisiert wurde. Heute ist sie die Grundlage vieler anderer Verschwörungsidologien, wie z.B. der FED-Verschwörung, der Ostküstenconnection, USrael und und und. Oder wie es Stefan Lauer einmal in Vice ausdrückte: „Alte Bauernregel: Verschwörungstheorien ohne Zionismus, jüdische Weltverschwörung oder Rassismus sind keine richtigen Verschwörungstheorien.“