„Klima Aktion Thüringen“ ist ein Zusammenschluss von Menschen, die auf lokaler Ebene im Bereich Klimagerechtigkeit aktiv sind und gemeinsam an Aktionen und Klimacamps teilnehmen. Sie plädieren für eine starke Bewegung, die soziale und ökologische Fragen zusammen denkt. Dafür stellen sie den Ursprung der Klimagerechtigkeitsbewegung in den USA vor, umreißen aktuelle Ziele und Strategien und laden zur Beteiligung ein.
Wir leben auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen in Kombination mit einem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, welches diese permanent überbeansprucht und zerstört. Die zu stellenden Fragen sind sowohl ökologischer als auch sozialer Art und betreffen alle Lebensbereiche. Soweit ist das Problem klar. Die Folgen für Klima und Menschen sind vielerorts schon offensichtlich und weltweit extrem ungleich verteilt. Die Regionen der Erde, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben – müssen die extremsten Folgen tragen (Überschwemmungen, Dürren, Artensterben, Nahrungsmittelknappheit, …wir gehen davon aus, dass ihr die Liste beliebig ergänzen könnt). Die früh industrialisierten Länder, welche in den letzten 200 Jahren enorme Mengen an CO2 und anderen klimaschädlichen Gasen ausgestoßen haben, halten sich mit der Übernahme von Verantwortung stark zurück. Notwendig für das Einhalten des 1,5 °C-Zieles wäre eine drastische Senkung ihrer eigenen Emissionen und die Leistung von Entschädigungen, damit die Regionen der Erde, die wohl am stärksten unter der Klimaerhitzung leiden, Maßnahmen zur Eingrenzung der Klimafolgen umsetzen können als auch ihre Energie selbstbestimmt, einzig aus erneuerbaren Energien erzeugen können. Die Frage ist, inwieweit „gerechte“ Entschädigungen überhaupt geleistet werden können und in welcher Form und wie diese sinnvoll von neokolonialer Entwicklungshilfe abgegrenzt werden können. Angebracht ist daher aus unserer Sicht eine globale Bewegung für Klimagerechtigkeit. Diese gibt es schon seit den 1960er/1970er-Jahren. Wir werden im folgenden ihre Geschichte kurz umreißen und danach auf die Ziele und Strategien zu sprechen kommen.
Was ist die „Klimagerechtigkeitsbewegung“?
Das Konzept „Klimagerechtigkeit“ versucht ökologische und soziale Fragen gerechter Verteilung lokal und global zusammen zu denken, Kämpfe gemeinsam zu führen und zu Lösungsansätzen zu kommen.
Im Revoltmag gab es vor Kurzem einen Artikel über die Ursprünge der Klimagerechtigkeitsbewegung in den USA (Link auf der Webseite): Dort gab es in den 1960/70er-Jahren eine von weißen, überwiegend der Mittelschicht entstammenden, Umweltschutzaktivist*innen dominierte Bewegung, welche so gesehen wenig mit der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung und ihrem Fokus auf soziale Ungerechtigkeit gemeinsam hatte. 1982 kamen diese beiden Strömungen thematisch zusammen, als in Warren County / North Carolina die Pläne für die Platzierung einer Giftmülldeponie zur Entsorgung hochgiftiger Stoffe (polychlorinierte Biphenyle (PCB) etc.) öffentlich wurden. Der geplante Bauort lag im ärmsten Landkreis des Bundesstaates, wo 2/3 der Bevölkerung Afroamerikaner*innen waren. Die Proteste waren zwar öffentlichkeitswirksam – konnten den Bau jedoch nicht verhindern. Dennoch waren sie der Ausgangspunkt für eine neue, soziale Bewegung, welche den Kampfbegriff „Umweltrassismus“ prägte. Umweltrassismus bezeichnet die systematische Diskriminierung von People of Color (PoC) in staatlichen Planungsprozessen, was sich dadurch ausdrückt, dass Gemeinden mit einem hohen Anteil an PoC viel häufiger vom Bau von Giftmüllanlagen oder anderen Anlagen dreckiger Industrien betroffen sind, als überwiegend weiße Kommunen. Daraus entwickelte sich die noch umfassendere Forderung nach Umweltgerechtigkeit (Environmental Justice), welche die gesamte „natürliche“ und gebaute Umgebung von Menschen / ihren Gemeinschaften beinhaltet und Fragen nach Umverteilung erfordert, die im unauflösbaren Widerspruch zu den Profitinteressen des Kapitals steht. Soziale Fragen der Verteilung und der gleichberechtigten Zugänge / Teilhabe an Ressourcen und Möglichkeiten von Gesellschaften haben immer ökologische Konsequenzen und Auswirkungen auf die Ausgestaltung von Mensch-Naturverhältnissen, welche wiederum von den vorherrschenden, gesellschaftlichen Machtverhältnissen abhängen.
In Europa legte die Linke im Zuge der Proteste anlässlich des Klimagipfels in Kopenhagen 2009 wieder einen stärkeren Fokus auf Ökologie. Ein breites Bündnis aus Graswurzel-NGOs, Regierungen aus dem globalen Süden und Aktivist*innen aus dem globalen Norden formierten dort Protestbündnisse, welche den Ausgleich bzw. die Wiedergutmachung der immens gewordenen Klimaungerechtigkeiten (Climate Injustices) forderten. Auch in langfristigen Kämpfen gegen Flughäfen und Atomenergie wurde von vielen linken Akteur*innen die ökologische stets mit der sozialen Frage zusammen gedacht.
Dabei verlaufen die Gräben sozialer und ökologischer Ungerechtigkeit nicht nur „Nord-Süd“ – sondern auch „gesellschaftsintern“ (z.B. hinsichtlich Konsum, Mobilität etc.). Was will die Bewegung für Klimagerechtigkeit? Kurz gesagt: Systemwandel statt Klimawandel.
System Change – not Climate Change!
Wir wollen das gute Leben für Alle – mit Wohlstand ohne Wachtumsideologie. Das geht nur durch eine grundlegende Demokratisierung gesellschaftlicher Verhältnisse – indem wir den imperialen Lebensstil (ja, den kapitalistischen) und damit einhergehende Privilegien hinterfragen, darauf basierend individuelle und kollektive Verantwortung übernehmen, uns mit Betroffenen weltweit solidarisieren und einen Systemwechsel von unten fordern, umsetzen und politisch begleiten.
Im ökologischen Bereich hieße das einen ökologisch verträglichen und konsequenten Umbau der Energieversorgung auf 100% Erneuerbare Energien sowie einen sorgsamen Umgang mit vorhandenen Ressourcen (z. B. Einsparungen, Effizienzsteigerungen, Kraft-Wärme-Kopplung) einzufordern unddie ökologische Landwirtschaft zu stärken (mehr dazu in der Broschüre „Raus aus der Kohle!“, welche vom Graswurzelkollektiv ausgecohlt 2017 herausgegeben wurde).
Was tun wir?
Soweit unsere grob umrissenen Ziele. Was tun wir nun, um diese umzusetzen? Jetzt anfangen und weitermachen, was wir als Einzelpersonen, bei KAT und im Rahmen der globalen Klimabewegung bereits tun. Sei es dafür zu sorgen, dass dreckige Industrien still stehen müssen, weil wir sie blockieren, oder alle Formen der solidarischen Organisation und des Zusammenlebens im alltäglichen Leben ermöglichen.
Im „Ende Gelände“-Bündnis fokussieren wir uns auf das Motto „Kohlebagger stoppen, Klima schützen!“ mit Massenaktionen zivilen Ungehorsams auf und gegen Braunkohle. Wir fordern einen sofortigen Kohleausstieg und stellen uns deshalb seit 2015 1-2x im Jahr Kohle-Baggern und Tagebau-Infrastruktur in den Weg. Zudem bestehen enge Verbindungen zu Bündnissen und Initiativen vor Ort – so z.B. zum seit 2012 besetzten Hambacher Wald, der auch Schauplatz der diesjährigen Aktion vom 25. bis 28. Oktober sein wird. Darüber hinaus ist es aber nicht nur eine Frage der Kohle – langfristig muss ein Großteil der fossilen Rohstoffe weltweit im Boden bleiben; der Energieverbrauch kann auch nicht nur durch vermeintlich „nachhaltigere“ Formen der Energieumwandlung ersetzt werden.
Im Alltag gehen wir von uns selbst aus (Bewusstsein für globale Zustände, individuelle Konsumhaltung etc.) und organisieren unser Leben in Ortsgruppen, wo wir im kleinen Maßstab mit Alternativen wie Gemeinsamer Ökonomie, gemeinnütziger Energieversorgung, selbstbestimmtem Wohnen und Arbeiten (Solidar-Kollektive, Kommunen etc.) experimentieren und versuchen den Wandel umsichtig, sozial und gemeinschaftlich umzusetzen – auch außerhalb unserer politischen „Aktivisti-Blase“. In Klimacamps, welche meist den Sommer über in verschiedenen Bundesländern stattfinden, kommen wir zusammen und tauschen uns überregional-international aus. Im Rahmen von Ende Gelände mobilisierten wir dieses Jahr auch erstmals direkt zu Klimacamps und Massenaktionen zivilen Ungehorsams außerhalb von Deutschland – im Juni nach Tschechien („Limity jsme my“ – gegen Braunkohle) und im August in die Niederlande zu „Code Rood“ gegen Gasförderung.) Zudem zeigen wir uns solidarisch mit anderen Kämpfen – stehen am 1. Mai und auch sonst gegen Nazis, die AfD und andere Rassist*innen auf der Straße, freuen uns sehr, wenn wieder ein queer-feministischer Finger bei der Ende Gelände Aktion dabei sein wird .
PS: Die Frage nach Hippies haben wir jetzt gar nicht beantwortet. Hmm. Wir haben auch einige Fragen an „Hippies“ bzw. sind ratlos. Kann da mal jemensch einen Lirabelle-Diskussions-Beitrag zum Thema schreiben :)? Danke im Voraus!
Die Autor*innen sind erreichbar unter klima_aktion_th@riseup.net und freuen sich über Mitstreiter*innen.
Weitere Texte und Bücher zum Thema:
von Mensch und Natur in Zeiten des globalen Kapitalismus.
Capitalism’s War On The Earth.