Das Lieblingsfreizeitthema von Beta ist Sexualität und alles was dazu gehört. Bei ihren Dates mit Männern außerhalb ihres Klüngels macht sie so allerlei verwirrende Erfahrungen. In der Lirabelle schreibt sie in loser Folge aus feministischer Perspektive über ihre Erlebnisse, diesmal über ein doch nicht so ungestörtes Date in der Sauna.
Wir verabreden uns im Schwimmbad. Als wir auf JOYclub chatten, stellen wir fest, dass ein klassisches Date in der Kneipe mit Bier trinken gehen auf jeden Fall auch nett ist, aber wir beide Lust auf etwas mehr Aufregung haben. Wir scheinen beide erfahrene Liebhaber*innen zu sein. Er schlägt vor, sich zu treffen und schon miteinander rumzumachen bevor man überhaupt ein Wort miteinander gewechselt hat. Klingt nach einem bescheuerten Männertraum à la „nicht lange schnacken, ich hab kein Bock zu reden“, aber wenn ich es mir genau überlege, ist die Vorstellung doch ziemlich erregend. Und wenn ich mir dabei sein heißes Bild auf JOYclub anschaue, werde ich schon ganz kribbelig: er steht unter der Dusche, man sieht seinen Kopf und sein Gesicht von oben und andeutungsweise seinen recht muskulösen Oberkörper – und er genießt – unendlich stark, mit geschlossenen Augen, fast schmerzlich, aber hoch konzentriert. Nur wegen diesem Bild habe ich ihm geantwortet – obwohl ich sexuell eigentlich zurzeit ganz gut ausgelastet bin.
Da wir beide uns unsicher sind, ob wir uns denn wirklich gefallen werden, wenn wir uns in echt sehen, überlegen wir, dass wir uns irgendwo in der Öffentlichkeit treffen könnten und wenn gegenseitige Sympathie herrscht, dann gleich irgendwo miteinander rummachen. Das öffentliche Treffen könnte in einem großen Kaufhaus stattfinden. Und das Rummachen? Etwa in einer Umkleidekabine? Mein Herz klopft vor Aufregung. Das kann man doch nicht machen …
Schließlich einigen wir uns auf das Schwimmbad, gern auch mit Sauna danach. „Was ist, wenn du in der Sauna einen Harten bekommst?“ frage ich. „Gut möglich“, schreibt er, aber er könne das schon handeln. „Was ist, wenn wir uns im Schwimmbad nicht erkennen und aus Versehen mit jemand anders flirten?“ frage ich. Er bleibt gelassen: „Dann hat das auch seinen Sinn.“
Einen Tag später fahre ich aufgeregt mit dem WG-Fahrrad zum Schwimmbad. Ob ich ihn gleich an der Kasse erkennen werde? Verabredet sind wir für halb acht direkt im Becken. Ich gehe durch die Eingangstür und sehe meine Kollegin mit ihrem Partner und ihren zwei Kindern. Da kann ich wohl erstmal nicht nach meinem Date Ausschau halten. Ich tue entspannt und führe ein bisschen Smalltalk mit ihr. Danach kaufe ich an der Kasse mein Ticket ohne mich nochmal umzuschauen. Ich wollte auf keinem Fall, dass jemanden auffällt, dass hier ein geheimes Date abläuft. Ich ziehe mich um, dusche und laufe mit meinem neuen wirklich schicken dunkelblauen Badeanzug zum Schwimmbecken. Da sehe ich meinen ehemaligen Nachbarn seine Bahnen ziehen. Ich schwimme meine erste Bahn, er wartet am Beckenrand und wir quatschen. Er ist wie immer sehr redselig und ich rede gern mit ihm. Man kann sich endlos lang mit ihm unterhalten. Er erzählt mir, wie Patrick, sein letzter Mitbewohner, einfach nicht fürs zusammen wohnen gemacht war. Ich habe mit diesem Patrick selbst sechs Jahre zusammen gewohnt und er hat mir das Zusammenwohnen mit diesem Bekannten hier ganz anders geschildert. Lustig. Während mir mein ehemaliger Nachbar sehr bildhaft erzählt, dass Patrick jeden Tag nach der Arbeit raumnehmend und groß in der Küche gekocht hat, zieht mein Date seine Bahnen in der Bahn nebenan. Ich habe ihn gleich erkannt. Er hat mich auch erkannt und versucht meinen Blick zu erhaschen. Ich versuche immer nur eine Milli-Sekunde zu ihm zu schauen, damit mein Bekannter nicht merkt, dass er gerade voll in mein Date reingrätscht. Und mein Date denkt jetzt bestimmt, ich will ihn eifersüchtig machen, wenn ich hier einen anderen Typen anbaggere, befürchte ich. Ich versuche durch meine Mimik und Körpersprache besonders kumpelmäßig und lässig mit meinem Bekannten zu sprechen. So als würden wir uns schon ewig kennen. Wir kennen uns ja auch schon mehrere Jahre. Alle paar Minuten versuche ich unauffällig auf die Uhr zu schauen. Schon zehn Minuten sind vergangen, seitdem ich mein Date hinhalte – der Arme. Nebenbei versuche ich den Erzählungen meines Bekannten zu folgen: „Wenn ich nach Hause kam, war der echt einfach immer nur in seinem Zimmer.“, regt er sich auf. „Lustig, genau das gleiche hat er mir über dich erzählt.“ Plötzlich taucht mein Date genau hinter meinem Bekannten auf und schaut mich an. Er ist nur einen Meter entfernt. Ich gucke gleich weg. Mein Nachbar dreht sich trotzdem verwundert um. Ich versuche unser Gespräch weiter am Laufen zu halten: „Wenn er sein dreckiges Geschirr in seinem Zimmer bunkert, ist das doch besser, als wenn es in der Küche vor sich hin gammelt.“ Nach ein paar Minuten schaffe ich es mich loszueisen. „Ich muss dann auch mal ein paar Bahnen ziehen. Dafür bin ich ja hier.“, sage ich freundlich und schwimme los.
Ich ziehe rüber zur zweiten Bahn, schwimme zwei Runden und begegne endlich meinem Date am Beckenrand. „Na“ sagt er freundlich. „Erstmal mehrere Leute hier getroffen“ entgegne ich. Er antwortetet und klingt dabei genau wie eine ehemalige Affäre von mir, Erfurter Dialekt eben. Den liebe ich. Wir verstehen uns gut, quatschen ein bisschen, schwimmen, ich darf seine Schwimmbrille ausprobieren. Das fetzt ziemlich, wenn beim Rückenschwimmen nichts in die Augen spritzt. Zwei Wochen später kaufe ich mir auch eine. Inzwischen habe ich sie schon wieder verloren. Ich trumpfe auf, indem ich erzähle, dass ich schwimmen gehe, um für meinen anstehenden Tauchurlaub zu trainieren. Es stellt sich heraus, dass er nicht nur Lichttechniker ist, nein, er holt auch gerade seinen Studienabschluss nach. Er kann also anpacken, hat was im Kopf und sieht gut aus – was will man mehr?! Er gefällt mir sehr gut.
Wir beschließen noch in die Sauna zu gehen. Als wir im Saunabereich ankommen, trifft er gleich zwei Freunde von früher. Ich stehe daneben während sie sich unterhalten. Der eine meint, dass er gleich nach Hause geht, der andere überlegt laut, ob er noch bleibt oder nicht: „Du bist ja mit deiner Maus hier“ sagt er zu meinem Date mit einem Seitenblick zu mir. So ein Spruch ist mir schon mehrere Jahre nicht mehr unter gekommen. Ich will dem Idioten irgendwas passendes kontern: „Und welche Tiernamen habt ihr so?“ frage ich in die Runde. „Ratte“ sagt der etwas Nettere über den Idioten. Naja, im Nachhinein würden mir natürlich viel lässigere Sachen einfallen, aber besser als nichts, denke ich mir. Wir zwei laufen weiter, legen unser Zeug ab und ziehen uns aus. Eigentlich geschieht das erste Mal ausziehen mit einem Date eher im Bett in der Anbahnung von Sex. In diesem Moment ist es eine Mischung aus eigentlich ganz normal den Badeanzug ausziehen, alle anderen hier sind ja auch nackt und irgendwie auch ganz aufregend und irgendwie auch erwachsen so wie „hey, ich habe schon soo viele Menschen nackt gesehen und mich haben auch schon so viele Männer nackt gesehen, es macht mir gar nichts aus, wenn du nun meinen nackten Körper siehst.“ Es macht mir wirklich gar nicht aus. Wir laufen nackig in Richtung Duschraum. Mindestens 15 nackige Menschen kommen gerade vom Aufguss aus der Sauna. Es sieht aus als hätten sie gerade ein altertümliches Ritual hinter sich. Mitten drin stehen mein ehemaliger Kollege und sein Kumpel. Ich winke ihnen übertrieben lustig zu. Er schaut in meine Richtung, aber reagiert null. Vermutlich ist er ohne Brille blind. Als wir fünf Minuten später in der Sauna sitzen, erkenne ich den Chef vom Buchhandel nebenan und auf dem Weg zum kalten Becken grüße ich kurz und sachlich die Thüringer Hochschulbeauftragte mit ihrer Angestellten, die mal Ehrenamtliche bei mir auf der Arbeit war.
Als wir uns auf den Liegen entspannen und über unsere Wohnsituation sprechen, bringe ich meinen Satz, den ich immer bringe, wenn ich jemanden abschleppen möchte: „Ich kann dir gern mal meine WG zeigen.“ Oder alternativ: „Kann ich mir deine Wohnung mal anschauen?“ Er antwortet „Klar gern“, und mit dieser Aussage steht fest, dass ich heute Abend noch guten Sex haben werde.
Er ist ohne Fahrrad und läuft zur Straßenbahnhaltestelle. Ich fahre mit dem Fahrrad vor. Da man in Erfurt mit dem Fahrrad fast immer schneller ist als mit der Bahn, warte ich zehn Minuten lang auf ihn am Domplatz. Und wie es der Zufall will, treffe ich noch eine Person. Eine gute Bekannte kommt vorbei. Sie fragt, was ich hier auf dem Domplatz mache. Ich fühle mich ertappt und antworte möglichst locker. „Ich bin mit einem Freund verabredet.“ Ob sie sofort checkt, dass ich gerade ein Date habe? Ich erzähle weiter „Wir waren gerade in der Sauna und ich habe mega viele Bekannte getroffen.“ Sie antwortet: „Das geht mir auch immer so, vor allem Sonntagabend, wie heute. Da gehe ich sonst eigentlich auch immer in die Sauna.“ Mein Date steigt aus der Straßenbahn, sie macht sich los und sagt: „Bis morgen im Büro.“