In den 1970er-Jahren war klar: Wer sich mit New Age beschäftigt, fährt nach Indien zum Guru. Oder will das zumindest. Das hat dem Guru einiges Einkommen eingebracht, unvergessen Osho, der Bhagwan, der vom Geld seiner Anhänger*innen – darunter große Geister wie Peter Sloterdijk und Nena – eine Flotte von 93 Rolls-Royce anschaffen konnte. Nun hat sich der Zeitgeist gewandelt: Wer hat noch die Muße, eine dreimonatige Auszeit zu nehmen, um sich mit dem Campingbus auf den Weg nach Poona zu machen, um dort Erleuchtung zu tanken? Niemand. Heute kauft man spirituelle Selbstoptimierung bei der freundlichen Esoterik-Praxis um die Ecke. Die hält ein breites Angebot vor: Biodynamische Resonanztherapie®, Metabolische Meditation®, Polyplastischer Schamanismus®, geschnitten oder am Stück. Und täglich entstehen neue Angebote. Das ® zeigt an, dass der Begriff als Marke eingetragen ist und nicht von allen Dahergelaufenen genutzt werden kann. Um also Energetische Metahypnose® oder Ariosophische Introspektion® verkaufen zu dürfen, muss man sich an die Markeninhaber*innen wenden. Die wiederum wären schön blöd, würden sie allen Kleinstadtesoteriker*innen einzeln Kristalline Nanolevitation® beibringen. Deswegen funktioniert die Wissensweitergabe heutzutage mehrstufig: Um in Erfurt Geomantische Psychologie® oder Telurisches Yoga® anbieten zu können, muss man erst mal die Level-1-Schulung machen (550,00€ zuzüglich MwSt). Um wiederum selbst die Level-1-Schulung in Neoagnostischer Physiosakraltherapie® anbieten zu dürfen, muss man natürlich die Level-2-Schulung machen. 2.480€ zuzüglich MwSt. Aber, man ahnt es, auch die Ausbilder müssen irgendwie qualifiziert werden, deswegen gibt es halt auch noch die Level-3-Schulung. Für 8.400€. Und so weiter. Wie bei allen Pyramidensystemen wandern dabei Waren (dubiose Zertifikate) die Pyramide nach unten, Geld nach oben. Und wie bei allen Pyramidensystemen funktioniert das Ganze nur so lange, wie es gelingt, neue Kund*innen zu finden. Und das ist nicht so einfach. Anders als Osho in der guten alten Zeit, verkauft die zeitgenössische Esoterik Individualität. Und die ist nicht gegeben, wenn jede*r Dritte beim Waldorf-Elternabend schon Thermodynamische Darmsanierung® oder Mikrobiotische Quantenimpedanz® gemacht hat. Deswegen ist das esoterische Kleinunternehmer*innentum finanziell gesehen ein Glücksspiel: Kann ich die Omnipotente Selbstwirksamkeit® an genügend Endkund*innen verkaufen? Wird die Gastrointestinale Lepidopteraphilie® im Frühling ein Renner, sodass es lohnt, schnell noch den Aufbaukurs zu machen? Werde ich mit Achtsamer Skatologie® endlich reich werden? Dass die meisten Anbieter von Magnetischer Bioelektronentherapie® ihre Dienste auf der Pinnwand im Bio-Discounter anbieten und es bisher absolut niemand geschafft hat, von Vedisch-Energetischer Reflexzonenbiopsychotherapie® einen Rolls-Royce zu finanzieren, spricht dagegen.
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