„Das war einer der größten Knallköppe auf Erden“ – Ein Nachruf auf Lothar König

Über Lothar König einen Nachruf schreiben kann ziemlich simpel sein. Man muss nur sein zivilgesellschaftliches Engagement erwähnen und dass er aber auch „streitbar“ war. Pustekuchen! findet Maulow.

Das war einer der größten Knallköppe auf Erden und ich habe jetzt noch Muskelkater im Nacken vom vielen Kopfschütteln über den Typen. Ich habe immer noch Tinitus im Ohr von den immer gleichen Rolling Stones- und Ton Steine Scherben-Songs und Panikattacken, ob seiner schwungvollen Fahrweise, vorzugsweise in einem Blauen VW-Bus und öfter mal mit Lautsprecherboxen auf dem Dach. Dass er Pfarrer war, merkte ich nur an Bemerkungen wie, dass „der Teufel auch nur ein gefallener Engel“ sei. Oder wenn er im Talar, aber mit St. Pauli-Mütze an einem 13. Februar über den Dresdner Heidefriedhof marschierte. Der Gottesmann war ständig am Rauchen, trug Sommer wie Winter Birkenstock Schlappen (ohne Socken!) und hatte immer den feinsten Rum zur Hand: „Lippen und Zunge nur benetzen – nicht schlucken“ sonst wäre das Gegenüber binnen kürzester Zeit sturzbesoffen! Es war klar, dass Lothar König nicht alt werden wird.

Lothar, einer aus ’ner anderen Zeit oder DDR-BRD-scheißegal

Um so einen wie Lothar zu begreifen, muss man sich in den drögen Konformismus der staatssozialistischen DDR hinein versetzen. Wo Arbeit, Familie und 5-Jahresplan das Maß der Dinge waren, die Jugend Blauhemd zu tragen hatte, Angepasstheit die Leitwährung der Karriere war, blieb den Hippies der 60er und 70er nichts übrig als von Woodstock zu träumen und ihr Leben innerhalb des 108.179 km² großen Landes als inneren Exzess zu gestalten. In ihren Ideen und Vorstellungen und Träumen waren sie Linke, wären gerne in Brokdorf und Wackersdorf dabei gewesen, wurden aber von den Genossen der SED als Staatsfeinde behandelt. Matthias Domaschk überlebte diese Behandlung nicht und starb im StaSi-Gefängnis in Gera. Autoritäre Lebensweisen waren ihnen schon immer ein Graus und jenen wurde mit Dickschädeligkeit und List begegnet. Einige dieser Generation sind heute genau die reaktionären Ärsche, die sie einst bekämpften und landeten mittlerweile geistig weit rechts (z.B. Vera Lengsfeld).
Leuten wie Lothar war die BRD mit ihren reaktionären und konservativen Auswüchsen jedoch genauso problematisch, wie es die DDR war. Auch hier geraten Menschen ins Abseits, werden von Ressourcen abgeschnitten und ausgegrenzt. Auch hier gibt es autoritäre Engstirnigkeit und faschistische Tendenzen. Leute wie Lothar hatten Opposition in zwei unterschiedlichen Gesellschaften praktiziert und sind NICHT davon abgerückt, sich auf die Seiten der Ausgegrenzten zu stellen. Sie haben ihre Fahne einfach nach dem Gegenwind gehangen.
Diese Generation stirbt nach und nach: ob Blase (der bis zum Schluss im Hausprojekt Köpi wohnte), Frank Döbert (Journalist) oder Lothars Vorgänger in der JG Stadtmitte Jena Walter Schilling (ist mir das erste Mal begegnet, als er 1988 an der Christuskirche in Halle bei einem Punkfestival Naziskins den Eintritt verweigerte). Die Liste wird wohl in nächster Zeit länger werden. Mit ihnen stirbt auch die Erfahrung der Opposition in zwei Gesellschaftssystemen. Und das in einer Zeit, in der uns der Faschismus in Form der AfD mit breiter gesellschaftlicher Verankerung bedroht und sich große Teile der linksradikalen Szene in reaktionärer Betonköpfigkeit einnisten, als wäre u.a. die Geschichte der DDR eine Erfolgsgeschichte und nicht die eines staatsautoritären Irrläufers mit verheerenden Auswirkungen für Mensch und Umwelt. Dann bin ich doch lieber bei der Knalltüte Lothar König, als beim nächsten Parteisekretär!

Königliche Gegenwart

Lothar war über die Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung ein Teil der antifaschistischen Szene gewesen und hat an vielen Aktionen, Demos und Blockaden teilgenommen oder sie mitorganisiert. Dabei kam es öfter mal zu Security Fails wie Lautidurchsagen: „Mensch Molle, was soll das Steine werfen! Das bringt doch nichts!“ Häufig genug war der Rauschebart aber auch derjenige, der bei sich in die Länge ziehenden Blockaden das richtige Entertainment auf Tasche hatte und so die Stimmung rettete.
Lothars Generation wird uns einiges hinterlassen, seien es soziale Orte wie die „Offene Arbeit Erfurt“ oder die „JG-Stadtmitte Jena“. Ob ihr Leben und ihre Praxis für Nachkommende fremd sein werden und in Vergessenheit geraten oder eben als (selbstverständlich auch kritische) Anregung und Diskussionsgrundlage für künftige emanzipatorische Praxen herhalten werden, ist noch nicht raus. Einiges ganz konkretes ist von Lothar aber geblieben: z.B. seine Tochter Katharina, die weiter den Nazis auf die Pelle rücken wird und den gleichen Unruhegeist in sich trägt wie er, genauso wie seine Ex-Frau bei den „Omas gegen rechts“ vorne am Transpa zu finden ist.
Das Thema König ist noch lange nicht vom Tisch!

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