Der Förderverein »Frauenheldinnen« vernetzt Teile der Frauenbewegung mit der gesellschaftlichen Rechten im gemeinsamen Kampf gegen trans Rechte und queeren Feminismus – argumentiert Noah in einem Text, der uns nach Redaktionsschluss erreicht hat.
Das Thüringer Antidiskriminierungsnetzwerk (thadine) ist besorgt über die Ernennung von Susette Schubert zur Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Erfurt (1). In einer Stellungnahme vom März 2025 kritisiert das Netzwerk vor allem Äußerungen, die man durchaus als transfeindlich bezeichnen könnte, z.B. unterstellte Schubert trans Frauen, ihre Geschlechtsidentität zum Eindringen in Frauenschutzräume zu missbrauchen. Das Antidiskriminierungsnetzwerk ist davon überzeugt, dass die Haltung, die hier zum Ausdruck kommt, mit dem Auftrag einer Gleichstellungsbeauftragten – »die Interessen aller Geschlechter gegen Diskriminierung zu verteidigen« – unvereinbar ist. Schaut man sich die Aktivitäten des Vereins »Frauenheldinnen« an, dessen zweite Vorsitzende Susette Schubert ist, wird deutlich, dass das Problem umfassender ist: »Frauenheldinnen« bringt verschiedene Personenkreise zusammen, die mit der aktuellen Stärke des Queer-Feminismus unzufrieden sind vernetzt Teile der Frauenbewegung mit alten und neuen Rechten.
Aufklärung und Widerstand gegen »Trans-Ideologie« und Fremde
Der Verein »Frauenheldinnen« versteht sich als Fundraising-Organisation für »Aufklärung und Widerstand […] gegen die ideologische Beeinflussung […], die unsere säkulare und rechtsstaatliche Ordnung untergräbt, unsere Kinder gefährdet und die mühsam erkämpfte Gleichberechtigung von Frau und Mann aufs Spiel setzt«, außerdem gegen »kulturell und religiös begründeten Normen, die […] in Europa und Deutschland Einzug halten und die Frauen nur mindere Bürgerrechte zugestehen«. Damit ist der Rahmen gesetzt: In unserer Ordnung herrscht Gleichberechtigung, dann kommen Queer-Ideologen und Fremde und bedrohen unsere Kinder. Dagegen will der gemeinnützige Verein vorgehen und sammelt Geld für Aktionen, Publikationen und Rechtshilfe. Inhaltliche Klammer ist dabei der Aktivismus gegen trans Rechte. Um diese in die Schranken zu weisen, arbeitet der Verein auch mit Kräften zusammen, die sonst mit dem Feminismus wenig zu tun haben. So präsentiert das rechtspopulistische Nachrichtenportal Nuis im Februar 2024 ein Interview mit der ersten Vorsitzenden des Vereins Eva Engelken.
Wieso die Vertreterin eines feministischen Vereins mit einem ausgewiesen antifeministischen Portal spricht, dass an anderer Stelle kommentiert, »Gleichtellungsbeauftragte« sei ein »überbezahlter Bullshit-Job im öffentlichen Dienst«, erschließt sich, wenn man die Schnittmenge sieht: Nius hat eine der Fundraising-Kampagnen der »Frauenheldinnen« aufgegriffen. Es geht darum, dass einer trans Frau der Zugang zu einem Frauen-Fitness-Studio verwehrt bleiben soll – die juristische Auseinandersetzung um den Vorgang ist für die Anti-Trans-Szene wichtig, weil das immer wieder imaginierte Szenario der Infiltration von Frauenräumen durch trans Frauen hier medial ventiliert werden kann. Aber die Zusammenarbeit scheint nicht nur strategisch motiviert. Auch inhaltlich passt Engelken in Diskursraum der rechten Tabubrecher, sie beklagt, dass Demonstrationen gegen Rechts Leute ausgrenzten, weil sie »einfach nur kritisch« seien – so ähnlich, wie man schon bei Corona missliebige Personen als »Schwurbler« mundtot gemacht hätte. Beides sei eine »schleichende Entdemokratisierung«. Wohlbemerkt: Das Interview bei Nius wurde kurz nach den Demonstrationen in Anschluss an das Remigrations-Treffen in Potsdam veröffentlicht.
Dieser Link nach Rechts ist nicht der einzige: Beim Frauenheldinnen-Kongress 2023 in Erfurt war die Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel eingeladen, die schon vorher damit aufgefallen war, dass sie auf Social Media AfD- Inhalte weitergeleitet hatte. Im März 2024 ist sie aus der CDU ausgetreten und mittlerweile stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Werte- Union. Sie publizierte auf Tichys Einblick und wendet sich gegen die Abschaffung des Ehegattensplittings, gegen Kinderrechte, gegen Ansätze einer Modernisierung in der Katholischen Kirche und gegen Geflüchtete, die in ihren Worten »wandelnde Zeitbomben« sind. Der Link zum Feminismus, wie er von den Frauenheldinnen vertreten wird? Pantel hat entschieden gegen das Selbstbestimmungsgesetz Politik gemacht.
Inhaltlich passt dazu auch Sigrid Herman, auch sie wird vom »Frauenheldinnen«-Verein finanziell unterstützt. Laut WELT ist sie »Islamisten-Jägerin« und fordert umfangreiche repressive Maßnahmen zur Überwachung und Bekämpfung von religiösem Extremismus, u.A. die »Wiedereinführung des sog. ›Radikalenerlasses‹«. Daß sie in einem mittlerweile zurückgezogenen Papier des Seehofer-Inneministeriums als Teil einer muslimfeindlichen Szene geführt wird, liegt vermutlich nicht daran, daß sie das Thema menschenfeindlicher Aktivitäten im politischen Islam bearbeitet, sondern an der Art wie sie es tut. Auch hier finden wir eindeutige Wir-Die-Konstruktionen und, passend zum oben zitierten Selbstverständnis der Frauenheldinnen, eine Haltung, die frauenfeindliche Impulse eindeutig muslimischen Männern zuschreibt. Eine solche Externalisierung von Sexismus war schon immer Teil rassistischer Projektionen: Die weiße Frau muss vor dem Zugriff des bedrohlich fremden Mannes geschützt werden, was der Mehrheitsgesellschaft gleichzeitig die Abgrenzung zum Fremden und die Dethematisierung des eigenen Sexismus erlaubt.
Auftragsforschung gegen Sexarbeit
Ein weitere Schwerpunkt des Vereins ist der Kampf gegen Sexarbeit. Besonders aktiv ist hier Inge Bell, ebenfalls Speakerin beim schon erwähnten Kongress. 2023 war sie nach einer Auseinandersetzung über trans Rechte aus Terre de Femmes ausgetreten, schon vorher hatte sie das »Deutsche Institut für angewandte Kriminalitätsanalyse« gegründet, das sich vor allem für das Verbot von Prostitution einsetzt und mit der CSU-nahen Hans-Seidel-Stiftung in Kontakt steht. Die Vereinsaktivitäten des »Instituts« bestehen vor allem in der Pressearbeit für das Buch »Sexkauf. Eine rechtliche und rechtsethische Untersuchung der Prostitution« der Sozialethikerin Elke Mack (Universität Erfurt) und des Anwalts Ulrich Rommelfanger. Das Buch soll wohl das Anliegen des Vereins wissenschaftlich untermauern. Die in diesem Feld zuständige wissenschaftliche Fachgesellschaft (die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung) hält das offensichtlich für so problematisch, daß sie auf der Startseite ihrer Webpräsenz explizit auf eine Rezension hinweist, die das Buch als »Auftragsarbeit« kritisiert, die »höchst selektiv« Argumente so herauspickt, »wie es die eigene These zu stützen scheint« und sich vor allem für Leser*innen eignet, die »sich durch Gleichgesinnte bestätigt sehen wollen« – eine Watsche, die im sonst bei Kritik sehr diplomatischen Wissenschaftsbetrieb kaum größer ausfallen könnte.
Ob diese Art und Weise, Frauenrechte zu verteidigen, überhaupt irgendwelchen real existierenden Frauen langfristig etwas bringt, kann man bezweifeln. Wem es direkt etwas bringt, ist der Vorsitzenden: Eine der Fundraising-Kampagnen des Vereins sammelt steuerbegünstigte Spenden für die Veröffentlichung und das Marketing ihres Buches »Trans*innen? Nein, Danke«.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass Mitfrauen der »Frauenheldinnen« sich auf Youtube darüber austauschen, wie viele Kritiker*innen sie schon juristisch in ihre Schranken gewiesen haben. Bemerkenswert ist das, weil ein zentraler Vorwurf gegen die jüngere, eher queer beeinflusste feministische Szene und ihr Agieren mit Antidiskriminierung, Beschwerdestellen und Rechtsfragen ja gerade ist, dass sie auf juristische Formalitäten und Verfahrensfragen setze, statt politische Differenzen auszutragen. Vielleicht sehen wir hier eine Variante eines typischen rechten Schemas: Die Projektion, der politische Gegner würde ständig nur mit unlauteren Mitteln – juristisches Einschüchtern, Verkaufen politischer Positionen als wissenschaftliche Wahrheiten, moralische Überwältigung – vorgehen, führt dazu, dass die eigene Politik sich eben dieser Mittel bedient. Auch das spricht dafür, die Politik der »Frauenheldinnen« als Teil des allgemeinen gesellschaftlichen Rechtsrucks zu begreifen.
Exklusive Solidarität durchkreuzen, weil es sonst allen schlechter geht!
Zusammenfassend kann man das politische Projekt der »Frauenheldinnen« so deuten, dass hier einen Teil der Frauenbewegung mit der gesellschaftlichen Rechten vernetzt wird, um effektiver gegen gemeinsame Feinde vorzugehen – zuallererst die »Gender-Ideologen« und die »Trans-Lobby«. Dieser Aktivismus richtet sich gegen besonders stark marginalisierte Gruppen im Namen einer angeblich bedrohten schweigenden Mehrheit. Das entspricht genau der exklusiven Solidarität, die für das Gesellschaftsmodell der zeitgenössischen Rechten zentral ist und die sich gerade massiv in der Gesellschaft ausbreitet. Schutz und Hilfe verdienen in dieser Weltanschauung nur diejenigen, die zur eigenen Gruppe gehören. Um so wichtiger ist es in der aktuellen Situation, sich dagegen zu positionieren und die Angriffe nicht zu ignorieren, weil es ja »nur« um trans Rechte geht oder weil man selbst keine Angriffsfläche bieten möchte. Eine solche, indifferente Position wird auf Dauer allen schaden, die (warum auch immer) auf der Abschlussliste der gesellschaftlichen Rechten stehen.
1 Um die Vorgeschichte der Neubesetzung soll es hier nicht gehen, es sei nur erwähnt, dass die Amtsvorgängerin Mary-Ellen Witzmann fristlos gekündigt wurde, nachdem sie sexuelle Übergriffe am Erfurter Theater öffentlich gemacht hatte, siehe dazu den Text von Sophie in der Lirabelle 32.