Betroffenensolidarische Strukturen haben unabhängig voneinander zwei Updates veröffentlicht. Das Ziel ist ähnlich: Betroffene wollen einen Abschluss finden. Der Stand bezüglich der Aufarbeitung der Geschehnisse und der Ermöglichung dieser in linker Subkultur bleibt frustrierend und erschütternd.
Gotha
Fünf Jahre nach der Vergewaltigung im Hausprojekt und Veranstaltungsort Ju.W.E.L. fassen Unterstützer:innen der Betroffenen zusammen und informieren. Mittlerweile ist das Strafverfahren gegen den Täter mit drei Terminen am Amtsgericht zwischen 2021 und 2023 mit einem Freispruch geendet. Wir wissen alle, dass Sexualstrafverfahren extrem betroffenenfeindlich sind und nichts über den Wahrheitsgehalt der Vorwürfe aussagen. Die Verteidiger des Täters entscheiden sich für eine aggressive Strategie: „Die Betroffene wurde von ihnen auf herablassende, respektlose und misogyne Weise, teils suggestiv, befragt. Systematisch versuchte der Verteidiger, die Betroffene zu pathologisieren und als unglaubwürdig darzustellen. […]. Schließlich forderte der Verteidiger des Täters ein aussagepsychologisches Gutachten ein, dem sich die Betroffene unterziehen musste.“ Die Staatsanwaltschaft ist trotz des Freispruchs davon überzeugt, dass in der Nacht etwas passiert sein muss. Die Betroffene mit starken letzten Worten: „Ich weiß, was du getan hast. Du weißt das. Ich habe keine Angst mehr vor dir. Du kannst mir nichts mehr tun.“
Neben der strafrechtlichen Aufarbeitung ist auch der Umgang im Projekt Ju.W.E.L. ein Beispiel des Versagens: Statt Betroffene zu unterstützen, kam es wiederholt und anhaltend zu Victim Blaming – auch durch Vorstände. Es kam zu mehreren sexuellen und körperlichen Gewalttaten im Projekt. Die Betroffenen verließen trotz enormer Anstrengungen die Räume. Aufarbeitungsprozesse im Verein – angestoßen auch durch ehrlich Engagierte – sind gescheitert. Aus dem Umfeld des Projekts sind bis heute Unwahrheiten zu hören, ebenso wie Diffamierung gegen die Betroffene und unterstützendes Umfeld. „Das Ju.W.E.L. ist kein Schutzraum für Betroffene und solange sich das nicht ändert, ist es ein unsicherer Raum für uns alle.“
Das ganze Statement lesen: https://de.indymedia.org/node/466800
Saalfeld – „Aufarbeitung […] zu großen Teilen gescheitert“
Die betroffenensolidarische Unterstützungsgruppe „AG Stand With You“, welche sich nach den Outcalls 2020 in Saalfeld gebildet hat, veröffentlicht ein abschließendes Statement zum Stand der Dinge. Kritisch werden die Veröffentlichung des Outcalls via Instagram und die repressiven Folgen betrachtet. Die Aufarbeitung ist größtenteils gescheitert: „Es war quasi unmöglich, eine politische Auseinandersetzung zu führen. Die meisten Auseinandersetzungen liefen über Einzelpersonen. Linke Strukturen funktionieren unseren Eindrucks nach in Saalfeld mehr als Freund:innenkreise und Cliquen, bei denen Gerüchte wie ein Lauffeuer umgehen, statt politischer Zusammenschlüsse, wo eine gemeinsame Aushandlung als Gruppe möglich ist.“ Besonders vor dem Hintergrund rechter Hegemonien (nicht nur) in der Provinz, bleiben linke Orte notwendig – sie liegen der Gruppe am Herzen – doch, was wenn vor Ort kein Wille zur Veränderung von problematischen Männlichkeitsbildern und Mackertum unter Anerkennung betroffenensolidarischer Perspektiven möglich ist? Die Gruppe fordert mit ihrem Abgang einen feministischen Antifaschismus auch in der Provinz!
Das ganze Statement lesen: https://de.indymedia.org/node/470682
Aus der Redaktion der Lirabelle senden wir mit brennenden Herzen solidarische Grüße den Betroffenen, den sie supportenden Strukturen und allen Menschen vor Ort, die es immer wieder versuchen: Schluss mit Sexismus, sexualisierter Gewalt und Mackerscheiße!
Anlaufstellen für Betroffene in Erfurt:
Frauenhaus Erfurt
Anlaufstellen für Betroffene in Jena:
Anlaufstellen für Betroffene in Gera:
Anlaufstellen für Betroffene in Weimar: