Staatlichkeit und Überwachung – Ein Versuch der Auseinandersetzung mit dem Überwachungswahn in der Digitalen Sphäre

Zweiter und letzter Teil des in der Ausgabe 8 begonnen Textes von Dennis.

Unsicherheit durch Sicherheit

Die bisherigen Erörterungen lassen staatliche und private Überwachungen in einem zwielichtigen Licht erscheinen. In der entwickelten kapitalistischen Gesellschaft soll Überwachung Sicherheit schaffen, bewirkt jedoch häufig das Gegenteil. Die westliche Wertegemeinschaft hat sich seit den Anschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 zunehmend darauf versteift, durch flächendeckende Überwachung Terroristen zu identifizieren – und gleich zu eliminieren. Die z.B. via „Boundless Informant“ ermittelten Zielpersonen werden in Ländern wie Jemen und Pakistan ohne jegliche Gerichtsbarkeit schnell via Drohnenangriff getötet. Diese Angriffe sind häufig mit hohen Personenschäden Dritter verbunden, was wiederum die Gewaltspirale in Gang hält. So wurden nachweislich in Pakistan über 700 unbeteiligte Personen gleich mit getötet und in Jemen z.B. eine Hochzeitsgesellschaft für ein Terroristentreff gehalten und zerbombt.

Die massiven Eingriffe und Manipulationen in die Internet-Architektur führte auch zu ungewollten Nebeneffekten. So wurde auch mal über Tage Syrien komplett vom www getrennt, was auch viele Menschenrechts- und Oppositionsgruppen gefährdete, die nun nicht kommunizieren konnten!

Das Ausnutzen geheimgehaltener Sicherheitslücken in Programmen/Betriebssystemen usw. (wie bei FaxAcid praktiziert), deren Patching systematisch verhindert wird, trägt auch nicht gerade zu einer Erhöhung der Sicherheit weltweiter digitaler Kommunikation bei.
Ein riesiges Problem sind auch die Geheimdienste und deren laxer Umgang mit Überwachungsdaten selbst. So wird unter dem Begriff LOVEINT verstanden, dass einzelne Geheimdienstmitarbeiter privat Überwachungsmöglichkeiten zur Überwachung und Stalking anderer Personen (seien es nun verflossene Liebschaften oder EhepartnerInnen) missbraucht hatten. Auch konnte Snowden anhand seiner eigenen angefertigten Datensammlung über die Überwachungsprogramme anschaulich demonstrieren welche Datenzugriffe MitarbeiterInnen in den Sicherheitssystemen haben, die nicht unbedingt in den Chefetagen sitzen!

Panopticon, Homo Sacer, das Bürgerliche Subjekt

Bis hierher wurde in diesem Text das Thema Überwachung recht hemdsärmelig angegangen. Jetzt kommt der Teil, wo es etwas philosophischer zugehen wird. Dies ist nötig, um nicht nur an den Phänomenen der Überwachung kleben zu bleiben, sondern auch zu beleuchten, welch fatalen Weg die bürgerliche Gesellschaft bisher gegangen ist, welche Deformierungen hierbei sich bereits in den bürgerlichen Subjekten ablagerten, was im Endeffekt den beklemmenden Fatalismus ausmacht, mit dem die Masse der KonsumentInnen den Zumutungen der Überwachungsmaschinerie begegnet. Eines der Standard-Werke zum Thema ist Michel Foucaults „Strafen und Überwachen“. In diesem beschreibt er als Beispiel idealer Überwachungsarchitektur Bentheims „Panopticon“-Gefängnis. Dieser Bau ist kreisrund, alle Gänge und Zellen sind zu einem zentral gelegenen Überwachungsturm ausgerichtet, von dem aus jederzeit in jeden Winkel des Gefängnisses geschaut werden kann. Die (potenziellen) Insassen des Turmes sind nicht zu sehen. Somit wird allen Insassen des Gefängnisses per Architektur das Gefühl vermittelt, jederzeit überwachbar zu sein, obwohl dies konkret gar nicht geschehen muss. Der Turm könnte auch tagelang leer stehen, der Überwachungsdruck jedoch bleibt! Auf Dauer führt dieser Druck bei den Insassen des Gefängnisses zu einer beständigen konformen Verhaltensweise, die dazu dienen soll, nicht für die (potenziellen) BeobachterInnen im Turm auffällig zu sein. Die mit Hilfe der Architektur manifestierten Gewaltverhältnisse werden somit verinnerlicht. Foucault sieht jedoch diese Erscheinung nicht auf Gefängnisse beschränkt, wo für das kapitalistische System dysfunktionale Individuen auf Linie gebracht werden müssePanoptisches Internetn, sondern als symptomatisch für die Zurichtung des bürgerlichen Subjekts: Die Freiheit der Annehmlichkeit des Unbehelligtseins in der eignen Parzelle, solange mensch nicht den Autoritäten negativ auffällt! Sporadisch kommt es zwar immer wieder zu Unzufriedenheiten, die sich jedoch meist an Schwächeren ausagieren.

Panoptisches Internet

In Bezug auf den Komplex Überwachung manifestiert sich dieses devote Verhalten in der Bemerkung, doch nichts zu verbergen zu haben und sich deshalb auch nicht gegen Überwachung zur Wehr setzen zu müssen. Die durch Snowden veröffentlichten Dokumente führen dabei einmal mehr vor, dass sich die bürgerliche Gesellschaft, auch in ihrer liberaleren Provenienz der „westlichen Werte“, nie von dem Konstrukt des Panopticons getrennt hat. Das Internet in seiner derzeitigen Konfiguration gleicht einem riesigen weltumspannendem Panopticon, mit technologisch stark potenzierten Möglichkeiten, tief in die Privat- und Intimsphäre der Menschen einzudringen, sie überwachungstechnisch zu individualisieren, jedoch in ihrem Verhalten zu ent-individualisieren. Mit dem Satz: „Ich habe eh nix zu verbergen“ werden nämlich all jene dem Überwachungssystem ausgeliefert, die tatsächlich etwas zu verbergen haben (abgesehen davon, dass dies eigentlich für alle zutrifft!): politisch Andersdenkende, religiöse und sexuelle Randgruppen, all jene die als dysfunktional und gefährlich für die bürgerliche Gesellschaft identifiziert werden, wobei wir uns selbst über die Parameter dieser Identifizierung niemals sicher sein können. Sich hinzustellen und lauthals zu hoffen, dass der Kelch doch an einem/einer vorbeigehen möge, ist genau der falsche Weg! Tatsächlich stehen im Internet Mail-verschlüsselnde und Tor-nutzende UserInnen unter Generalverdacht, dass da doch was im Busch sei. Mit jedem Terroranschlag wird mantraartig gefordert, diesen ganzen Kryptokram gleich ganz zu verbieten.

Der Menschliche Körper als Ziel von Politik und Kontrolle

Was Foucault verstärkt in seinen Theorien in den Vordergrund rückte, ist, dass die moderne kapitalistische Gesellschaft, Menschen auch als Ressource betrachtet, die mit Hilfe von Biopolitik gehegt werden müsse. Die Strafpraktiken der Moderne zielten auch gegenüber z.B. dem Mittelalter weniger auf den Körper, dessen Unversehrtheit ja auch den Menschen als Arbeitstier auszeichnet, sondern mehr auf die Psyche, die der Zumutung der abstrakten Arbeit meist abträglich war. Die hippe Gesundheits- oder Fitness-App auf dem Smartphone ist nichts anderes als ein digitales Arbeitshaus der Selbstoptimierung. Der Zwang, ihren Anweisungen zu folgen, wurde verinnerlicht und deren Ausführung verheißt Erfolg! Zwischen Arbeitshäusern und Knästen gab und gibt es qualitativ keinen Unterschied. Genauso wichtig war und ist es, auch im Gewimmel des täglichen Betriebes, die Störenfriede herauszufiltern und notfalls zu eliminieren. Die unveräußerlichen und allgemeinen Menschenrechte hatten hierbei immer eine gern verschwiegene Kehrseite, die nicht auf Diktaturen zu beschränken sind: sie galten nie allumfassend für alle!

Die Jagd auf Homo Sacer im War on Terror

Mit der juridischen Weiterführung des biopolitischen Begriffs Michel Foucaults zeichnete Giorgio Agamben das Bild des Homo Sacer. Homo Sacer ist hierbei das Sinnbild eines Menschen, den als Eigenschaft nur noch biologisches Leben (zoe) aber kein qualitativ menschliches Leben (gemeinhin als Biografie bezeichnet) auszeichnet, dessen er/sie entledigt wurde. Diese Entledigung macht Homo Sacer straffrei tötbar und geschieht im Ausnahmezustand als der absoluten Machtausübung des staatlichen Souveräns, die eigentlich nur in Notsituationen angewandt werden sollte. Der Ausnahmezustand ist jedoch die einzige letztendliche Versicherung der staatlichen Souveränität selbst, auf den sich in letzter Instanz zurückgezogen wird. Die Androhung der Diktatur im Ausnahmezustand ist somit in allen Staaten, auch noch so liberalen Demokratien, immer präsent. Der Ort eines manifestierten Ausnahmezustand ist das Lager, von dem die KZ’s und Vernichtungslager der Nazis nur die brutalste Ausformung bisher waren. Ausnahmezustand kann jedoch auch durch Exterritorialität hergestellt werden, wenn für das Absaufen von Flüchtlingen außerhalb von Hoheitsgewässern niemand zuständig sein möchte oder eben private Sicherheitsfirmen wie ehemals Black Water nach Lust und Laune Irakis massakrieren konnten, dabei jedoch nur der amerikanischen Gerichtsbarkeit unterstanden, diese sich jedoch nicht um tote Irakis scherte. Homo Sacer erscheint sowohl in der jemenitischen Hochzeitsgesellschaft, die, juristisch folgenlos, zerbombt wurde, wie auch in den Targets von Drohnentötungen, deren Gefährlichkeit zwar durch genetische Überwachungssysteme errechnet wurde, deren Namen manchmal nicht mal bekannt sind und deren Tötung keiner juristischer Verurteilung bedurfte. Über den Ausnahmezustand entscheiden im War on Terror Metadaten auswertende Suchalgorithmen (Ex NSA-Chef Michael V. Hayden gab in einer Podiumsdiskussion offen zu: „Wir töten auf Basis von Metadaten“)!

Demokratie braucht Bluthunde

Diese Kehrseite, der westlichen Demokratien und der bürgerlichen Gesellschaft überhaupt, dass staatliche Souveränität in letzter Instanz nur dadurch zu erhalten ist, notfalls das Recht auf andere wirken zu lassen, ohne dass sie dabei noch TrägerInnen von Rechten sind (nach Agamben ist dies die Kerneigenschaft von Homo Sacer in der Moderne: dem Souverän entströmt das Recht, gleichzeitig steht jener auch über dem Recht und kann festlegen, für wen es gelte und für wen nicht). Biopolitisch störende Körper straffrei zu beseitigen, ist der verinnerlichte Job von Geheimdiensten, Geheimpolizeien und Terrorbekämpfungskommandos dieser Welt. In einem Filmzitat im Film „Bourne Vermächtnis“ wird zutreffenderweise bei TerrorbekämpferInnen von „Sündenessern“ gesprochen, die „die Exkremente dieser Gesellschaft in sich aufnehmen, damit das Große Ganze unbefleckt“ bleibe. Nur ist es so, dass das „Große Ganze“ immer weniger die „Exkremente“ des strukturell krisenhaften Spätkapitalismus übertönen kann. Dass nicht nur Islamisten oder christliche Glaubenskrieger wie Anders Breivik Amok laufen, sondern schier überforderte Sicherheitsapparate immer mehr anhand der Unwägbarkeit einer Bedrohung der Gesellschaft durch individuellen Terror von innen, mit ebenso entgrenzt amoklaufenden Überwachungswahn begegnen, ist ein Indiz dafür, dass auch der letzte Rest Humanismus der Bürgerlichkeit für das Fortbestehen des Kapitalismus mit seinen zunehmenden sozialen und psychischen Verwerfungen über Bord geworfen wird. Die technokratische Diktatur des Sachzwangs bestimmt längst vor dem Primat der Politik, wo es langgeht. Bezeichnend hierfür ist folgendes Zitat:

    Der Geheimdienstkoordinator der USA, James Clapper, hat sich über die Kritik an der Überwachung lustig gemacht. In seiner Rede auf einem Geheimdienstkongress in Washington sagte er, ‚man erwartet von uns, die Nation zu beschützen und außerordentliche, hochqualitative, richtige, vorausschauende und relevante Geheimdiensterkenntnisse rechtzeitig zu liefern.‘ Gleichzeitig dürfe dabei kein Risiko eingegangen und niemand blamiert werden, sollte doch etwas öffentlich werden. Außerdem dürfe nicht einmal ‚ein Fünkchen Gefahr für die Bürgerrechte und den Datenschutz von irgendjemanden – ob US-Bürger oder nicht‘ entstehen. Wir nennen diesen neuen Ansatz ‚unbefleckte Sammlung‘ (‚immaculate collection‘), schloss er unter dem Gelächter der Zuhörer.

Das Dilemma ist also klar: die Gesellschaft, in der wir leben entwickelt immer mehr Zentrifugalkräfte, auf welche mit autoritärem Krisenmanagement reagiert wird. Den geistigen und sozialen Verwilderungen, die dabei immer mehr zutage treten, wird auf breiter Front mit staatlicher Überwachung und Repression begegnet, wobei die Gewaltspirale zwischen extralegalen Exekutionen und individuellen Mordanschlägen sich immer weiter dreht. Der Islamische Staat bekam seinen Zulauf u.a. auch daher, dass Black Water und andere sogenannte Sicherheitsfirmen verheerende Verbrechen an der Menschlichkeit im Irak begingen, ohne dafür bisher zur Verantwortung gezogen zu werden.

Parallel hierzu versucht die spätkapitalistische bürgerliche Gesellschaft über die digitale Sphäre auch den letzten Rest von Intim- und Privatsphäre an den aufgeblähten Dienstleistungssektor zu verscherbeln, indem auch jede noch so kleine digitale Regung mitprotokolliert und vermarktet wird. Kommerzielle soziale Netzwerke sind keine Samariter, sondern AusbeuterInnen des Privatlebens ihrer NutzerInnen. Diese Daten, einmal erhoben, wecken natürlich Begehrlichkeiten bei den Überwachungs-Hardlinern dieser Welt. Aus biopolitischer Sicht ist mit verheerenden Auswirkungen innerhalb einer Gesellschaft zu rechnen, in der das Solidarprinzip z.B. bei sozialen Absicherungen wie Rente und Krankenversicherung, immer mehr ausgehöhlt wird und jedeR Einzelne immer mehr unter Beweis stellen muss, kein problematisches oder risikobehaftetes Verhalten an den Tag zu legen.

Was tun?

Sich jetzt hinzustellen und als Antwort „Klassenlose Gesellschaft“ oder „Kommunismus“ zu fordern mag im Kern nicht falsch sein, hilft aber in der derzeitigen Situation nicht weiter. Politisch müsste eine soziale Bewegung her, die sich einer digitalen Ausbeutung des Menschen entgegenstellt.

Pragmatisch gesehen ist es wichtig, Sensibilität über den Umgang mit der eigenen Privat- und Intimsphäre einzufordern. Post Privacy ist nichts anderes als eine Affirmation dieser Gewaltverhältnisse und nicht ein Lifestyle, den es zu hypen gilt. Den Überwachungs- und Auswertungssystemen kann nur mit Metadaten-Verweigerung begegnet werden, wobei im Umgang mit den zur Verfügung stehenden Tools (Tor, pgp, jabber, Dark Net, ssh usw.) immer auch Vorsicht geboten ist. Zu oft wurden in letzter Zeit Sicherheitslücken und andere Mängel offensichtlich. Sich um die Sicherheit seines sozialen Umfeldes zu bemühen, den Leuten verantwortungsvollen Umgang mit ihren Daten nahezulegen und sich und andere maximal zu schützen, ist ein weiteres Basic digitalen Selbstschutzes. Nicht jeder Schnappschuss muss gnadenlos in der Cloud landen und nicht alle müssen sich auf Gruppenfotos im web überall taggen usw.

Das gleiche pragmatische Misstrauen gilt eben auch gegenüber den Sicherheitsorganen und Geheimdiensten. So wie es wichtig ist, sich anonym politisch auf der Straße äußern zu können, ist dies in der digitalen Sphäre des Internets essenzieller, da hier die Auswertung der Daten um so besser funktioniert, je mehr davon zur Verfügung stehen. Dem Sicherheitsapparat muss es so schwer wie möglich gemacht werden, individualisierbar zu sein, egal „ob ich was im Schilde führe“, oder nicht. Politische Diskussionen über facebook und co. zu führen kommt einem Mitschnitt durch Diktiergerät gleich, dass niemand mehr löschen noch wegsperren kann!

Der wesentlich schwierigere Teil ist, der Allgemeinheit begreiflich zu machen, dass das Internet nicht ein riesiger informationeller Selbstbedienungsladen ist. Die große Chance der digitalen Sphäre bestand bisher ja auch darin, Meinungshoheiten bei etablierten und der Allgemeinheit schwer zugänglich Medien (Print, Fernsehen, Radio) zu durchbrechen! Die geistig verblödete Posse von facebook-Parties führt vor, wie gut auf die viel beschworene „Schwarmintelligenz“ im Web Verlass ist und steht dem Ansatz, Gegenöffentlichkeit zu sein, diametral entgegen. Das World Wide Web ist aber auch ein Auseinandersetzungsort, in dem es genauso Ausbeutungs- und Gewaltverhältnisse gibt wie in der „Offline-Welt“. Dass das Internet ein digitaler öffentlicher Raum ist, heißt auch, dass es nach wie vor gestaltbar ist, dass in ihm politisch interveniert werden kann usw. Es geht nicht um einen Boykott der digitalen Sphäre, sondern um deren libertäre Umgestaltung. Dabei müssen die UserInnen davon abgebracht werden, sich immer nur den bequemsten und massenkompatibelsten Plattformen anzuschließen und dort für die eigene reibungslose Konsumtion alle Zumutungen in Kauf zu nehmen. Das heißt auch zunehmend unfreie und eingeschränkte Endgeräte zu meiden, womit gerade Firmen wie Apple eine Rundum-Fremdbestimmung als Heiland für ihre UserInnen entwickeln. Digitalen Widerstand leisten heißt nun mal nicht bei kommerziellen Netzwerken sich mal innerhalb von zwei Minuten anzumelden, sondern selbst sich an sichereren Lösungen zu beteiligen (dies können dezentral organisierte soziale Netzwerke wie diaspora sein oder auch linke web-Kollektive, die Infrastruktur anbieten), diese zu unterstützen und so für eine schwerer kontrollierbare Vielfalt zu sorgen. Das ist eben unbequem und mit Lernprozessen verbunden, die von den meisten gerne umschifft werden. Es müssen nicht alle ab sofort HackerInnen und Linux-Gurus werden. Trotzdem abseits der gängigen kommerziellen Riesen der Internet-Branche sicherere Lösungen nicht einfach nur zu ignorieren, weil es ja eben alle tun, und somit keine Chance zu geben, wäre doch mal was. Auch wäre es nett, wenn linke Webkollektive nicht unbedingt mit einer Umsonst-Kultur konfrontiert werden, die sie auf ihren Kosten und ihrem Arbeitsaufwand sitzen lässt! Die Summe dieser Ansätze könnte auch digitale Mündigkeit genannt werden.

Zur Zeit kann von einer regelrechten digitalen Monokultur gesprochen werden – welch ein toller Individualismus, doch wieder nur zu vermassen und wie alle das gleiche zu tun! Ja, wir sind als bürgerliche Subjekte so geprägt, um mit diesem System zu kooperieren und können nichts für unsere Prägung! Wir haben aber genauso Verantwortung für diese Prägung und können und müssen es (uns) ändern, was ein langer Weg der Reflexion und Erkenntnis in praktischen Auseinandersetzungen bedeutet (das hat nichts mit der bei Linken häufig auftretenden protestantischen Selbstgeißelung oder Umnormierung zu tun, ist aber trotzdem ein unbequemer Weg!).

Genauso muss auch begriffen werden, dass die digitale Sphäre und die in ihnen datenabfassenden Überwachungssysteme ebenso problembehaftet und gemeingefährlich sind, wie der Rest der spätkapitalistischen Gesellschaft. Diese Gemeingefährlichkeit kann nicht mit dem bösen Willen Einzelner oder gar antisemitischen Verschwörungsstereotypen gefasst werden. Es muss klar sein, dass es sich nicht um diabolische Eliten, sondern um verbohrte MacherInnen handelt, die noch lange nicht alles im Griff haben, was sie weltweit verzapfen und somit auch keine ÜBER-UNTERMENSCHEN sind (um mal ein wesentliches antisemitisches Stereotyp zu nennen). Das macht die Sicherheitsapparate um so gefährlicher aber auch genauso angreifbar. Die digitale Überwachung ist ebenso geprägt von Pech, Pleiten und Pannen, wie andere Systeme auch, mit genauso fatalen Folgen für Leib und Leben von Menschen.

Zugegeben, nach einem großen Masterplan klingt es nicht – eher nach dringendem Diskussions- und Handlungsbedarf!


Zum Weiterlesen:

„Hefte zur Förderung des Widerstandes gegen den digitalen Zugriff“

    Bd. 1 – Tails – The amnesic incognito live system
    Bd. 2 – Disconnect – Keep the future unwritten

https:// capulco.blackblog.org

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