Die ewig währende Räumunsklage – vorerst beendet!?

Unsere Querulantin Madamme Yvette berichtet von einen gewonnenen Rechtsstreit um eine Wohnung und warum es sinnvoll ist, Wohnkämpfe zu politisieren.

Die geneigte Leserin wird sich vielleicht noch an meinen letzten Artikel in der Lirabelle vom Oktober 2022 erinnern. Da ging es u.a. über die Umtriebe des Vermieters Sven K. aus Suhl und dessen Räumungsklagen gegen die Bewohnerinnen eines seiner Mietshäuser in Erfurt. Konkret geht es um ein über 100 Jahre altes Haus in der Straße des Friedens mit vier Wohneinheiten, was die Stadt Erfurt im Jahr 2012 verkauft hat.
Dieser Text nun wird etwas fachlicher gefasst sein. Deswegen möchte ich den Kern hier schon vorwegnehmen. Denn wir haben in der Konsequenz diesen fast zwei Jahre währenden Räumungsstreit gewonnen und werden als betroffene Wohngemeinschaft einer Etage bis Ende September 2024 dort wohnen können. Als gute Strategie hat sich das Verharren und Politisieren durch die Herstellung einer Öffentlichkeit gut bewährt und kann so an dieser Stelle von mir auch getrost weiterempfohlen werden.

Nun die lange Version…

Nach Ablauf von sowohl Sozialbindungs- als auch Spekulationsfrist hatte der neue Eigentümer Anfang 2020 begonnen, gegen eine Mietpartei vorzugehen. Betroffen waren ein alleinerziehender Familienvater und seine beiden Kinder, welche mit der ersten Kündigung und der folgenden Räumungsklage auf Eigenbedarf genervt wurden. Der Anfang war also gesetzt, das Haus kostengünstig und unter billiger Nutzung der allzu willigen Justiz zu entmieten, um nach der notwendigen Komplettsanierung den Wohnraum zu Höchstpreisen zu vermieten bzw. als Eigentumswohnungen zu verkaufen.

An diesem Punkt war uns als Hausgemeinschaft klar geworden, dass es nur eine Frage der Zeit sein wird, bis entweder alle Mietparteien mit Kündigungsklagen überzogen werden oder nach durchgeführter Sanierung die Mietpreise für uns unbezahlbar sein würden. Über die Jahre des gemeinsamen Zusammenwohnens hatte sich eine vertrauenswürdige Hausgemeinschaft entwickelt. Aus diesen Gründen war für uns die Entscheidung klar, dass wir die Erstbetroffenen solidarisch unterstützen und ebenfalls gegen diesen Vermieter vorgehen und uns nicht spalten lassen. Neben der Begleitung im gerichtlichen Verfahren war es also auch naheliegend, den katastrophalen Zustand des Hauses, der sich durch Nichtstun des Vermieters wesentlich verschlechtert hatte, nun öffentlich zu machen und durch eine Mietminderung auf Null den Gegendruck aufzubauen. Nebenher verklagten nun zwei weitere Mietparteien den Vermieter wegen nicht erstellter Betriebskostenabrechnungen, wo sich erst im Verfahren herausstellte, dass dieser hier insgesamt vierstellige Beträge unterschlagen hatte. Die absehbare Reaktion des Vermieters war prompt eine weitere Räumungsklage wegen vorgeblichen Mietrückständen gegen unsere und eine fristlose Kündigung gegen einer andere WG.

Die erste Räumungsklage wegen Eigenbedarfs ging bis zur zweiten Instanz vors Landgericht und konnte trotz der offensichtlichen Widersprüche nicht abgewendet werden. Die Gerichte haben an der Stelle den vorgetragenen Willen des Vermieters hier einzuziehen schlichtweg als wahr unterstellt und sind der Tendenz des Bundesgerichtshofs gefolgt, Eigentum höher zu bewerten als das Grundrecht der Wohnung, wo schon in den vergangenen Jahren lediglich dann Eigenbedarfsklagen abgewehrt werden konnten, wenn die Betroffenen entweder sehr alt oder sehr krank oder beides waren.

Trotz der drohenden Räumung blieb die betroffene Mietpartei, die dazu verurteilt wurde, bis zum 31.08.2022 die Wohnung zu räumen, nahezu weitere zehn Monate und wurde schließlich am 27.06.2023 geräumt. Eine halbe Stunde davor ist folgendes Foto entstanden, dass den Vermieter zeigt, wie er sich auf dem gegenüberliegenden Grundstück hinter einem Baum versteckt, den Hauseingang im Blick. Erst als zahlreiche Uniformierte eintrafen, da wohl mit größerem Widerstand gerechnet wurde, wagte er sich in seinem feinen Zwirn auf die Straße und mit den Herbeigerufenen zusammen in das Haus, um eine leergeräumte Wohnung vorzufinden. In der Folgezeit ist er dort freilich nicht eingezogen, seine einzigen Maßnahmen waren, über sein damals noch vorhandenes ebay-Kleinanzeigen-Konto kostengünstiges Personal zu finden, dass die Tapeten und zu allem Wahnsinn noch vor Beginn der kalten Jahreszeit die komplette Heizungsanlage ausbaut. Ansonsten steht die 123 qm große Wohnung seitdem leer und wird wohl auch in absehbarer Zeit nicht wieder zu Wohnraum werden.

In aller Dreistigkeit reichte der Vermieter auch noch eine weitere Klage gegen die Geräumten ein, da er noch nachträglich eine Mieterhöhung geltend machen wollte. Das Ergebnis steht bisher noch aus. Im Kern geht es um insgesamt einen Betrag von 200 Euro. Eine Amtsrichterin, die dafür bekannt ist, sich solche «einfachen» – da aufgrund des Streitwerts nicht berufungsfähigen Fälle – zu krallen und dafür auch schon in der Vergangenheit abgemahnt wurde, wird darüber wohl noch entscheiden.

Zwischenzeitlich wurde auch der dritten Mietpartei fristlos zum 01.01.2023 gekündigt, mit dem Vorwand der unerlaubten Untervermietung, was bei einer seit Anbeginn bestehenden WG schon als auffällig konstruiert erscheinen dürfte. Eine Räumungsklage wurde hier bisher nicht erhoben, schließlich gab es ja auch noch das laufende Verfahren gegen uns Widerwillige, die zudem das Ganze auch noch öffentlich gemacht hatten und eine entsprechende Aufmerksamkeit abverlangten.

Um wieder zur zweiten Räumungsklage wegen nicht bezahlter Mieten zurückzukommen. Da fanden so einige Verhandlungen vor dem Erfurter Amtsgericht statt, reichlich begleitet durch eine interessierte Öffentlichkeit. Eine Verhandlung musste mehrmals verschoben werden, da der letzte und vom Vermieter benannte Zeuge nicht erschienen war, der, wie sich dann herausstellte, doch kein Experte für das Handwerk des Dachdeckens sondern sowas wie ein gelegentlicher Hausmeister zu sein schien und der nun nach erfolgter und erstaunlich parteiischer Aussage wohl auch keine Arbeiten mehr für diesen Vermieter ausführt.

In der Folge gab es im Mai 2023 einen Besichtigungstermin mit der Amtsrichterin im Mietshaus, wo der Vermieter, wie auch in den Verhandlungen zuvor nicht mehr erschienen war und der sichtlich angewiderten Richterin recht eindrucksvoll die Aktenunterlagen auf dem Dachboden in die Taubenscheiße und im Keller der Putz auf den Kopf fiel.
Obwohl sie den offensichtlich mangelhaften Zustand aufgrund des Baustellencharakters, des Schimmelbefalls, feuchter Wände, defekter Fenster etc. so auch protokolliert hatte, führte dies überraschenderweise zu einem Urteil des Amtsgerichts, in dem der Klage des Vermieters stattgegeben wurde. Die im Vorfeld geäußerte Rechtsauffassung der Amtsrichterin, maximal und prinzipiell eine Mietminderungsquote von 40 % als statthaft anzusehen, wurde aus unserer Sicht hier zurechtgebogen.

Verurteilt wurden vier der fünf Beklagten unter Bewilligung einer Räumungsfrist bis zum 30.11.2023 die Wohnung zu räumen, da zum Zeitpunkt einer der vorgerichtlichen Kündigungen ein entsprechender Mietrückstand aufgelaufen sein, der zur fristlosen Kündigung berechtigt habe. Eine fünfte Beklagte war zum Zeitpunkt der Klageerweiterung schon ausgezogen und konnte dadurch auch nicht mehr zur Räumung verurteilt werden. An dieser Stelle sei erwähnt, dass von unserer Seite angenommen werden muss, dass die Klageerweiterung gegen die Untermieterinnen im Wesentlichen den Zweck hatte, vorher benannte Zeuginnen, die genau die Verschlechterung des Zustands des Hauses hätten beschreiben können, als solche aus dem Verfahren zu ziehen.

Mit diesem Urteil im Juni 2023 war erstmalig etwas entstanden, womit wir so bis dahin nicht gerechnet hatten. Die Amtsrichterin hatte schließlich einen uns gegenüber sehr wohlwollenden Eindruck vermittelt können und im ganzen Verfahrensgang keine entsprechenden Hinweise erteilt.

Da das Urteil ab Dezember vorläufig jederzeit hätte vollstreckt werden können, mussten wir ab diesem Zeitpunkt auch mit einer Räumung rechnen.
Dennoch, auch wenn dies die Räumung so nicht mehr hätte verhindern können, war zumindest für mich schnell klar, dass gegen dieses unsägliche Urteil Berufung eingelegt werden muss, welches auch vom Inhalt her mehr als mangelhaft war, bis hin zu simplen Rechenfehlern. Iudex non calculat, um hier unseren Anwalt mal zu zitieren.
Unsere Entscheidung aus verschiedenen Erwägungen war also, dass wir das Urteil aufspalten und lediglich ich als Hauptmieterin in Berufung gehe und dass wir es auf die Räumung ankommen lassen, die sich im Nachhinein zumindest doch als unrechtmäßig würde herausstellen müssen. Der wesentliche Kern der Berufungsbegründung war der Antrag auf Zurückverweisung und Neuverhandlung, da aus unserer Sicht die Mängel im Urteil entsprechend gravierend waren und auch kein erforderliches Sachverständigengutachten vom Gericht eingefordert worden war nebst anderen Verletzungen der gesetzlichen Anforderungen an eine ordentliche Prozessführung. Die Berufungs- begründung umfasste immerhin 37 Seiten. Zusätzlich haben wir freilich wieder den üblichen Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) gestellt, welcher aber vom Landgericht unter fadenscheinigen Begründungen bis zur Hauptverhandlung weder abgelehnt noch bewilligt wurde.

Taktisch klug wurde der Termin zur Hauptverhandlung vom Landgericht dann auch auf den 30.11.2023 gesetzt.
Und da wurde es wieder theatralisch komisch, woran sich die anwesende Öffentlichkeit sicher auch mit einem Schmunzeln erinnern wird.
Einerseits war es schon erstaunlich, dass sich die gesamte 1. Zivilkammer bestehend aus immerhin drei Landrichterinnen versammelt hatte, um sodann wild schnatternd, sich gegenseitig dazwischen redend und mit bisher ungewohnter Aufdringlichkeit auf die Parteien einzureden, sich doch auf einen Vergleich einzulassen und auch mal Kompromisse einzugehen. Dies allerdings vor dem zutreffenden Hinweis darauf, dass die ganze Sache aus ihrer Sicht sehr wohl an das Amtsgericht zur Neuverhandlung zurückverwiesen werden muss, um sodann in ein oder zwei Jahren wieder auf ihrem Berufungstisch zu landen. Denn die Amtsrichterin hatte doch tatsächlich so Einiges übersehen, so z.B. das bei Mietmängeln zu beachtende Zurückbehaltungsrecht, worauf sie jedoch ausdrücklich schon im Vorfeld im Rahmen der erfolgreichen Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe durch die 9. Zivilkammer hingewiesen worden war. Ohne dies hier weiter auszuführen hätte allein dieser Punkt genügt, die gesamte Räumungsklage zu kippen, da auch die im Prozess nachträglich ausgesprochenen Kündigungen nicht ansatzweise den formalen Voraussetzungen entsprochen hatten.
Andererseits war der Vermieter auch hier erneut nicht erschienen, diesmal wohl aus gesundheitlichen Gründen, obwohl dieser dessen anwesenden Anwalt zugesichert hatte, zu diesem Termin erneut eine Kündigung mitzubringen und diese nun in formell richtiger Weise vorzulegen.

An dieser Stelle war dann zumindest für uns klar, dass wir die bessere Verhandlungsposition für einen Vergleich haben und diesem nur zu unseren Konditionen zustimmen werden. Mit ein bis zwei Jahren Ausweitung des Verfahrens hätte ich jedenfalls kein Problem gehabt. Drei weitere Faktoren waren dann letztlich für uns entscheidend, überhaupt einen Vergleich in Erwägung zu ziehen.
Ganz klar stand die Entwertung des Vollstreckungstitels aus dem Urteil des Amtsgericht im Raum und dadurch die Abwendung der drohenden Räumung.
Ein weiterer Winter in dieser schlecht beheizbar gewordenen zugigen Wohnung ist zudem schlichtweg auch nicht mehr zumutbar, was mir gerade, da ich diesen Aufsatz mit kalten Fingern und in angeschlagenem gesundheitlichen Zustand schreibe, wieder einmal mehr eindringlich bewusst wird.
Schließlich hatte sich ein Teil der Bewohnerinnen einer anderen Wohneinheit aus unserer Sicht entsolidarisiert, indem sie sich gegenüber dem Vermieter nicht nur «deeskalierend» verhalten wollte sondern für diesen mittlerweile auch Gefälligkeitsarbeiten übernommen hatte.
Mit diesen Abwägungen und nach mehreren Unterbrechungen zur Beratung und auch dem Einverständnis des im Publikum anwesenden bereits geräumten Familienvaters einigten wir uns also auf jenen Vergleich, der einem gewonnenen Verfahren gleich zu kommen vermag.

In diesem Vertrag wurde nun unwiderruflich vereinbart, dass zu keinem Zeitpunkt Mietrückstände bestanden hatten. Übersetzt bedeutet dies, dass es aufgrund der zahlreichen Mietmängel absolut gerechtfertigt war, 13 Monate lang keine Miete und in den darauf folgenden 14 Monaten etwa 50 % zu zahlen und nun auch keine weiteren Klagen auf Zahlung eventuell ausstehender Mieten mehr gerechtfertigt sind. Außerdem dass das Mietverhältnis sich bis zum 30.09.2024 verlängert, wir also auch den nächsten Winter nicht mehr dort verharren müssen. Und dies zu einer weiterhin geminderten Pauschalmiete (kalte Miete inkl. Kalter Nebenkosten) von entsprechend 50 % der ursprünglichen Miete. Dies entspricht einem aktuellen Mietpreis von etwa 2.85 € pro qm. Weitere Mieterhöhungen sowie Umlagen erwartbar steigender Betriebskosten werden dadurch ebenfalls abgewendet. Letztlich trägt der Vermieter seine Verfahrenskosten selbst. Meine Verfahrenskosten werden schließlich durch die mittlerweile und nach weiteren schriftlichen Klarstellungen gewährte PKH abgedeckt, nachdem unser Anwalt zum Termin am 30.11. die Kammer zurecht darauf hingewiesen hatte, dass diese die Bewilligung nur deshalb nicht vorab beschieden hatte, um mich unter Druck zu setzen und mich entweder zu belohnen oder zu bestrafen, je nachdem ob ich mich aus Sicht des Gerichts brav verhalte oder nicht.

Die besten Ideen fielen mir freilich erst im Nachhinein ein. So hätte der Vermieter sicherlich auch zugestimmt, wenn ich mir obendrein einen Blumenstrauß gewünscht hätte, zu überreichen mit einer öffentlichen Entschuldigung vor dem Erfurter Rathaus. Aber sei’s drum, beim nächsten Mal…
An dieser Stelle möchte ich aber auch nicht unerwähnt lassen, dass ein für weitere Betroffene anwendbares Urteil in Sachen Räumungsklagen hätte sinnvoller sein können. Auch wenn Klagen im Zivilrecht immer Einzelentscheidungen erwirken, so lässt sich im Nachhinein doch der Honig aus solchen Urteilen herauspicken, die Vermieterinnen eine Watsche erteilen.

Was dennoch bleibt, ist die klare Erkenntnis, dass Räumungsklagen kein Einzelfall sind, Vermieterinnen immer eine ähnliche Strategie verfolgen und die Gerichte den Weg des geringsten Widerstand gehen. Im Gegenzug hat es sich als praktikabel erwiesen, diesen Unfug öffentlich zu machen, um solidarische Unterstützung herzustellen. Denn dies bietet sowohl Schutz vor allzu argen Maßnahmen der Vermieterinnen, die ja bekanntermaßen schon mal das Wasser abstellen, um Mieterinnen rauszuekeln. Ebenso stört es das Tagesgeschäft der Gerichte, wozu es gehört Räumungsklagen durchzuwinken, obendrein werden die dort Richtenden entgegen den Gepflogenheiten dazu gezwungen, sich auch mal die Akten gründlich durchzulesen und sind, wie in diesem Fall, eher daran interessiert, eine Klage durch einen Vergleich verschwinden zu lassen. Sollte es also in Mode kommen, dass sich Mieterinnen auf diese Weise gegen das Unrechtmachtverhältnis auflehnen, welches dem Mietrecht innewohnt, so ist es wohl auch absehbar, dass die vermieterinnenfreundliche Gesinnung an den Gerichten in das Gegenteil umschlägt.
Dies zumindest würde ich mir wünschen und möchte abschließend Betroffene dazu ermuntern, sich, anknüpfend an diesen Erfahrungsbericht, gegen diese Praxis zu wehren und biete an dieser Stelle auch meine Unterstützung an.

In diesem Sinne und mit einem kleinen auf www.poetron-zone.de generierten Gedicht bis zum nächsten Mal.

Die Eigentume, jene wie auch immer,
Sie toben im Prinzip auch schick!
Sie kleben!
Vermieter, sieh nur!
Oh faszinierendes Glück!
Eigentume!
Tobende Eigentume für Vermieter.

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