Eine blonde Frau mit langen Zöpfen, die im tief ausgeschnittenen Dirndl mit Zahnpastalächeln sechs Maßkrüge Bier anbietet. Das Lächeln ist gekünstelt, was man deutlich sieht, wenn man genauer hinschaut und z.B. die Hälfte des Gesichts abdeckt. Es ist Knochen- und Kopfarbeit, stundenlang schwere Getränke zu tragen und die Fassade nicht fallen zu lassen, egal wie ekelhaft die männliche Kundschaft nach dem fünften Bier auch wird. „Kein Bier für Nazis“ steht in Frakturschrift neben der beschriebenen Kellnerin. Auf einem Bierdeckel, der seit einiger Zeit in Erfurter Kneipen liegt. Karl Meyerbeer hat Leute aus dem Kreis der Initiator_innen nach ihrer Motivation gefragt.
Als im letzten Jahr die wöchentlichen AfD-Aufmärsche in Erfurt losgingen, haben sich Kulturschaffende aus Erfurt gefragt, wie sie auf diese Situation reagieren können. H. ist Wirt einer Kneipe in der Innenstadt. Er erinnert sich, dass ihn die Situation 2015 beunruhigt hat. Seine Kneipe ist eine der wenigen in Erfurt, in denen erkennbare Nazis rausgeschickt werden. Dass Erfurt durch die Berichterstattung über die Aufmärsche bundesweit als AfD-City wahrgenommen wurde, hat ihm nicht gefallen – auch, weil es ein Problem für die Kundschaft der eher alternativ gehaltenen Kneipe darstellen würde. H. ist auf die Idee gekommen, mit Bierdeckeln gegen Nazis Stimmung zu machen. Zur Finanzierung der Bierdeckel haben Erfurter Kulturschaffende aus verschiedenen Kneipen wie Tiko, Ilvers, CKB, Stadtgarten oder Frau Korte, aber auch aus dem AJZ oder einer Capoeira-Gruppe zusammengelegt. Fördermittel und Sponsoren hat man bewusst nicht in Anspruch genommen, weil es um den Inhalt gehen sollte, nicht darum, mit dem Anti-Nazi-Engagement Werbung zu machen – was der Fall gewesen wäre, wenn man mit Logos auf die Mittelgeber hätte hinweisen müssen. Bei den Kund_innen kommen die Bierdeckel laut H. weitgehend gut an – außer bei vielleicht drei von hundert, die ein Problem mit dem stereotypen Bild haben. Schon vor dem Druck gab es Kritik an der sexistischen Darstellung der Kellnerin. Entscheidend dafür, den Deckel trotzdem zu drucken, war die Idee, die Nazis mit einem urdeutschen Blickfang zu irritieren: Ein völkischer Rassist, der die Kellnerin im Dirndl als Sinnbild typisch deutscher Identität erkenne, würde beim genaueren Hinschauen erkennen, dass das Objekt seiner Begierde sich gegen Nazis stellt. Das – so hofft H. – könnte einen Denkvorgang in Gang setzen. Gleichwohl sei der Sexismus-Vorwurf gerechtfertigt. Das Eintreten gegen Nazis war den Initiator_innen am Ende aber wichtiger als die nur von wenigen vorgebrachte Kritik.
Beim Kampf gegen Rechts Geschlechterverhältnisse links liegen zu lassen, ist nicht selten: Wie sexistische Stereotype dazu führen, bei der Betrachtung von Beate Zschäpe das übliche Klischee von der unpolitischen Frau zu bedienen, hat das Forschungsnetzwerk „Frauen und Rechtsextremismus“ herausgearbeitet. Und das übliche Antifa-Gemacker auf drei von vier Demos (und Lirabelle-Titelbildern) spielt mit der spiegelbildlichen Symbolik zur drallen Blonden auf dem Bierdeckel: Mit Redebeiträgen und Fahnenstöcken wird ausgefochten, wer den längsten hat. Wohlgemerkt: In anderen gesellschaftlichen Bereichen ist das nicht anders. Dass Männer ihr Interesse als Allgemeines formulieren und dabei keine Rücksicht auf die Befindlichkeiten vermeintlicher Minderheiten nehmen ist normal, Sexismus ist allgegenwärtig, also auch dort zu finden, wo man eigentlich „Toleranz, Respekt und Mitmenschlichkeit“ verbreiten will.
Um so erfreulicher ist vor diesem Hintergrund, dass unter den Kulturschaffenden inzwischen wieder über die sexistische Symbolik des Bierdeckels gestritten wird. Eine zweite Auflage soll weiterhin ein Statement gegen Nazis und Rassisten im Alltag setzen. Das Motiv steht indes in der internen Kritik, z.B. bei Frau Korte, dem Club im Nordbahnhof. Weil einem Teil der Belegschaft die sexistische Darstellung aufgestoßen ist, werden die Deckel dort nicht mehr ausgelegt. Auch wenn das Motiv ironisch gemeint sei, könne man nicht davon ausgehen, dass dieser Aspekt beim Betrachten auch immer verstanden würde. Die Idee, alltäglich einen Anti-Nazi-Standpunkt deutlich zu machen, findet man nach wie vor super, wünscht sich aber eine anderes Motiv, bei dem nicht mit einer Diskriminierungsform gegen Rechts gearbeitet wird. Auch der Initiator H. überlegt derzeit, ob die zweite Auflage der Bierdeckel vielleicht doch anders bebildert werden sollte.