In Thüringen ankommende Geflüchtete werden üblicherweise in eine Erstaufnahmeeinrichtung gebracht. Zur Zeit ist das das sogenannte Lager in Suhl, einer einrichtung des Landesverwaltungsamtes Thüringen. Der Aktivist von Lager–Watch Thüringen Behnam Blumengarten berichtet vom durch Rassimus bestimmten Leben im Lager, das viele Hoffnungen zerstört.
Deutschland ist in vielerlei Hinsicht ein einzigartiges, ein großes und bevölkerungsreiches Land mit einer sehr starken Infrastruktur. Ein europäischer Industrieriese mit einer turbulenten Geschichte. Insbesondere seit dem 18 Jh. ein Ort großer Literatur, Dichter und ein Ort der Philosophie mit zumeist freundlichen Menschen.
Deutschland hat in den letzten Jahren, insbesondere seit 2015, einen besonderen Beitrag zur Aufnahme von Geflüchteten geleistet und Schutzsuchenden Zuflucht gewährt. Für Schutzsuchende war Deutschland im Vergleich zu einigen anderen europäischen Ländern, wie beispielsweise Dänemark oder Norwegen, offener in der Organisation der Aufnahme von Schutzsuchenden.
In Deutschland arbeitet mittlerweile ein sehr großer Prozentsatz der Menschen mit Migrations- oder Fluchterfahrung und zahlt Steuern. Obwohl es im deutschen Asylsystem Ungerechtigkeiten gibt, ist die Grundlage des deutschen Rechts, dass Schutzsuchende in die Gemeinschaft eintreten und versuchen können, sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren.
Doch neben einigen nachvollziehbaren Regelungen für Schutzsuchende gibt es große Mängel im Aufnahmesystem und in den Erstaufnahmelagern, die in anderen Landesteilen alle staatlichen Bemühungen zunichte machen können, genau wie eine nicht säugende Kuh, die die ganze Milch weg wirft! Die Lager in Deutschland werden in weiten Teilen von Auftragnehmern aus dem Privatsektor betrieben, die gegenüber Schutzsuchenden rassistisch eingestellt sind. Die Mitarbeiter:innen in den Lagern legen praktisch keinen Wert auf Grund- und Menschenrechte und sehen die meisten Ankommenden als niedrig und kriminell an. Zum Beispiel sind die Sicherheitskräfte und Lagerwächter, die nur für die Bewachung und den Schutz der Bewohner:innen zuständig sind, stark ausländerfeindlich und rassistisch.
Wenn Menschen im Nahen Osten geboren wurden, wenn sie dem blutigen Krieg und der Diktatur ihres eigenen Landes entkommen sind, wenden sie sich in der Hoffnung auf Freiheit und Achtung der Menschenrechte und des Rechts auf Leben an die Länder, die diese Menschenrechte in der Welt für sich beanspruchen. Die Forderung nach Achtung der Menschenrechte ist seit Jahren aus den westlichen Medien zu hören. Darum flüchten Menschen, die Frieden und Freiheit suchen, aus Kriegen und Diktaturen nach EUropa. Warum sonst suchen Geflüchtete oft nicht Zuflucht in Saudi-Arabien oder anderen arabischen Ländern? Weil viele dieser Länder häufig diktatorisch sind und keine Menschenrechtsansprüche haben, erwartet kein Mensch, der fliehen muss, dass sie die Menschenrechte respektieren, erhofft sich dies jedoch im Westen und in Deutschland.
Doch ein Mensch, der in Deutschland als Schutzsuchender ankommt, wird in Lager geschickt, in dem von grundlegenden Menschenrechten keine Spur ist. Das Versorgungs- und Essensausgabesystem ist äußerst entwürdigend und unzureichend. Vor allem das Verhalten des Personals im Lager insbesondere des Sicherheitsdienstes ist rassistisch und entwürdigend. Dieses Verhalten markiert die ersten rassistischen Begegnungen und Erfahrungen von Schutzsuchenden mit Deutschen und hat damit einen entscheidenden Einfluss auf ihr Leben, weil es ihre eigenen zukünftigen Einstellungen bestimmen kann.
Stellen Sie sich nun einen syrisch-arabischen Geflüchteten vor, der vor Krieg und Massaker flieht, einen Iraner oder eine Iranerin, die vor Auspeitschung, Folter, Inhaftierung und öffentlicher Hinrichtung flieht, oder Afghan:innen, die vor der primitiven und mittelalterlichen Herrschaft der Taliban fliehen, und sie kommen mit tausend Hoffnungen und Bestrebungen nach Deutschland, um Freiheit, Sicherheit und mithin die Achtung ihrer Rechte als Menschen zu erlangen. Der erste Ort, an den sie geschickt werden, ist die unmenschliche Situation des Lagers und der erste Deutsche, den sie sehen, ist ein rassistischer Sicherheitsmann, der die Menschenrechte missachtet. Sie sehen mit eigenen Augen, dass Menschenrechte hier keine Rolle spielen und hier kein Wert auf die Achtung der Menschenwürde gelegt wird…! Mit den Worten des Dichters: Menschen bauten Paläste in ihren Träumen. Aber als sie ankamen, haben sie sie verloren.
Ich glaube, dass Schutzsuchende, die bei ihrer Ankunft ins Lager geschickt werden und sich mit solchen Verhaltensweisen auseinandersetzen müssen, als erstes feststellen, dass es an diesem Ort keine Menschenrechte und keine Menschenwürde gibt.
Ich glaube, dass dieses rassistische Verhalten in EUropäischen Ländern einen gefährlichen Funken in den Köpfen mancher entfachen kann. Wenn man sich zum Beispiel die Hintergründe von Menschen mit Flucht- oder Migrationserfahrungen, die straffällig geworden sind, genau anschaut, kann man feststellen, dass auch das rassistische Regierungssystem durch Beleidigung und Diskriminierung von Schutzsuchenden, aus ihnen erst Verbrecher macht bzw. sie kriminalisiert.
Menschen fliehen häufig auch aus Ländern und religiösen Diktaturen, die ihnen ihr ganzes Leben lang in Fernsehen, im Radio, in Schule und am Arbeitsplatz die Religion und dogmatische Ideologien mit Nägeln und Hämmern in ihre Köpfe gezimmert haben. Jetzt sind sie nach Deutschland gekommen. In der Hoffnung auf einen Hauch von Freiheit und Menschenwürde, und bei ihrer Ankunft ist der erste Deutsche, den sie sehen, ein Lagerwächter. Und dieser Wächter ist ein menschenfeindlicher Rassist mit Vorgeschichte als bekennender Neonazi. Warum das deutsche System es einem bekannten Rassisten und Neonazi erlaubt, in einer so sensiblen Position mit Ankommenden zu arbeiten, ist für mich unbegreiflich. Offenbar überlässt die Regierung das Lager und die Sicherheit privaten Auftragnehmern, um ihre Arbeit zu erleichtern. Doch private Unternehmen sind nur an Geschäften und mehr Einkommen interessiert.
Am 22.10.2021 wurden ich und andere von dem Sicherheitsdienst des Lagers in Suhl rassistisch beleidigt und bedroht. Der Wachmann wollte mich angreifen. Wir haben uns über diesen Sicherheitsdienst beschwert und das Video des Konflikts auf YouTube gepostet, was dazu führte, dass sich zwei Abgeordnete für das Thema interessierten und das zuständige Ministerium im Thüringer Landtag nach dem rassistischen Verhalten der Lagersicherheit fragten. Bisher war das Ergebnis nicht beeindruckend, aber es blieb nicht ohne Wirkung. Leider kehrte der rassistische Wachmann nach nur vier Wochen in den gleichen früheren Wachdienst im Lager zurück und der Vertrag mit dem Sicherheitsunternehmen läuft bisher unhinterfragt weiter. Aber ich hoffe, dass das Parlament in dieser Frage eine ernsthaftere Entscheidung trifft und das ganze Lagersystem, das eher einem Gefängnissystem gleicht, auflöst, damit wir menschenwürdig und eigenständig in Wohnungen leben können. Für unsere eigene Sicherheit und die Achtung unserer Privatsphäre.
Menschen, die mit Schutzsuchenden arbeiten, sollten zwingend die notwendige Ausbildung, Kenntnisse zur Achtung von Menschenrechten und Menschenwürde erhalten und grundlegend für die Themen Krieg und Vertreibung, Flucht und Migration sensibilisiert werden. Das ist nicht nur gut für alle Ankommenden sondern auf dem Weg in eine gemeinsame Zukunft entscheidend für alle in diesem Land.