Umkämpfte Interessen im Gedenken an die (Selbst-) Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald

Annika und Paul waren am 16. April 2023 zu den Gedenkfeierlichkeiten anlässlich des 78. Jahrestages der (Selbst-)Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald. Sie berichten über den Charakter des Gedenkens und ordnen das diesjährige Verbot des Mitführens von Organisationsfahnen ein, das über eine Änderung der Hausordnung der Gedenkstätte bewirkt wurde.

Paul ist schon lange in antifaschistischen Zusammenhängen aktiv und beschäftigt sich in diesem Rahmen mit Geschichts- und Erinnerungspolitik und mit linker und antifaschistischer Geschichte. Das beinhaltet auch die Beschäftigung mit der Selbstbefreiung von Buchenwald und darüber hinaus mit kommunistischer Bewegungsgeschichte.

Annika beschäftigt sich aktiv mit Geschichtsaufarbeitung und Erinnerungspolitik. Bei den Falken beschäftigt sie sich mit der Frage des Gedenkens an den Nationalsozialismus innerhalb des Verbandes und berät und unterstützt andere Gliederungen bei der Organisation von Gedenkstättenfahrten. Darüber hinaus ist sie in der lokal-geschichtlichen Aufarbeitung als Mitglied der Projektgruppe „Erfurt im NS“ vom DGB Bildungswerk Thüringen aktiv.

Die Feierlichkeiten anlässlich der (Selbst-)Befreiung finden jedes Jahr an einem Sonntag um den 11. April herum statt und verlaufen (bis auf die Jahre in der Pandemie) immer ähnlich: Der Direktor der Gedenkstätten-Stiftung hält eine Rede – aktuell ist das Jens-Christian Wagner, zuvor war das Volkhard Knigge. Außerdem sprechen einige Überlebende, die eine Funktion haben in den Überlebenden-Verbänden und andererseits auch Politiker*innen, wie z.B. Bodo Ramelow. Darüber hinaus versammeln sich immer viele Organisationen und Initiativen auf dem Appellplatz.

Zum Charakter der Gedenkveranstaltung

Annika: Der Jahrestag der Befreiung wird jedes Jahr von der Gedenkstätte und einigen Überlebenden des KZs begangen. Die Feierlichkeiten finden auf dem ehemaligen Appellplatz an der Stelle statt, wo eine Woche nach der Befreiung am 11. April 1945 von den Überlebenden des Lagers die erste politische Gedenkveranstaltung abgehalten wurde. Damals gab es dort ein temporäres Denkmal: Einen Obelisken, der dort auf einer Bühne aufgebaut war. Heute befindet sich auf dem ehemaligen Appellplatz wieder ein Denkmal. Das hat eine andere Form, aber ist eine Referenz auf den Obelisken. Deswegen wird der Ort heutzutage von der Gedenkstätte und den Überlebenden genutzt, um an die Befreiung zu erinnern. Das Gedenken in Buchenwald hat auch eine besondere politische Wichtigkeit, weil es ein politisch aufgeladenes Ereignis ist, um das sehr viele Deutungskämpfe stattfinden – auch heute noch. Einerseits steht zur Debatte, wie man über die Befreiung spricht, die da 1945 stattgefunden hat. Es gibt diesen Begriff der Selbstbefreiung, der wird von Überlebenden-Verbänden genutzt, und von vielen politischen Organisationen. Die wollen damit darauf hinweisen, dass es eine Besonderheit des KZ Buchenwald ist, dass es eine Art Ermächtigung der eingesperrten Menschen, also der ehemaligen Häftlinge war, gegen ihre Peiniger zur Waffe zu greifen und sich selbst zu befreien. Anderseits existiert darum auch eine wissenschaftliche Auseinandersetzung unter Historiker*innen, die diesen Begriff der Selbstbefreiung eher kritisch betrachten. Heute wird in der Gedenkstätte der Begriff Befreiung von innen und von außen verwendet. Darin soll zum Ausdruck kommen, dass die Selbstbefreiung zwar eine Ermächtigung gegen die SS gewesen ist, aber es überhaupt erst ermöglicht wurden, durch den Kontext, dass das Lager schon umstellt war von amerikanischen Panzern. Es wäre ohne diesen Kontext nicht möglich gewesen, dass die Häftlinge sich selber befreien. Von denjenigen, die weiterhin den Begriff der Selbstbefreiung verwenden, wird das aber häufig als eine Relativierung der Selbstermächtigung verstanden. Deswegen gibt es schon um den Begriff viele Debatten, die auch an dem Tag immer wieder daran deutlich werden, wer wie über was spricht.

Paul: Ich gehöre zu denen, die den Begriff der Selbstbefreiung verwenden, weil ich es wichtig finde, hervorzuheben, dass es diese Selbstermächtigung gab. Von Befreiung zu sprechen, klingt als wäre es nur von außen herbeigeführt. Ich finde es wichtig, auf diese Ermächtigung hinzuweisen, die von Kommunist*innen organisiert wurde und auch in der kommunistischen Geschichte Platz finden sollte; auch wenn – sofern ich das richtig erinnere – gar nicht alle Häftlinge im Lager mitbekommen haben, dass es diese Selbstbefreiung gab. Die Jüd*innen z.B. haben es ja gar nicht mitbekommen. Es ist so, dass jedes Jahr bei den Feierlichkeiten eine spezielle Opfergruppe im Fokus steht. Dieses Jahr waren das Sinti*zze und Rom*nja. In den Reden der Politiker*innen werden hingegen fast nie Kommunist*innen erwähnt, wenn verschiedene Opfergruppen aufgezählt werden. Kommunist*innen haben in der Erinnerung und im Gedenken wenig Platz. Das hat zwei Gründe. Zum einen Antikommunismus: Es gibt eine Angst davor, dass man bei der Nennung von Kommunist*innen die Nutzung des Ortes als Speziallager in der DDR mit einkauft, das die dort verübten Gräuel relativiert. Andererseits passt es nicht gut in eine Gedenkpolitik im Sinne von „es waren alles Opfer“ – Kommunist*innen, die selber die Waffe in die Hand genommen haben, bieten sich nicht als Opfer an. Das ist nicht gut vereinbar mit einer Opferrolle, die man den Häftlingen zuschreibt.

Annika: Was an dem Tag auch immer wieder eine große Wichtigkeit hat, ist das Wiederholen des Schwurs von Buchenwald, der der Hauptreferenzpunkt dieses Gedenkens ist. Dieser wurde beim ursprünglichen Gedenken 1945 das erste Mal von den dort anwesenden Häftlingen in verschiedenen Sprachen gesprochen. Der wird von denen, die da heute immer noch hinkommen, immer wieder wiederholt. Das ist deren politisches Vermächtnis.

Ablauf der Veranstaltung in diesem Jahr

Paul: Als wir dieses Jahr ankamen, wurden uns die Fahnen verboten. Am Tor wurden wir von Mitarbeitenden angesprochen, weil wir die Antifa-Fahne nicht mit rein nehmen durften. Sie haben auf die Hausordnung verwiesen, die zu diesem Zweck extra geändert wurde. Wir haben dann darüber diskutiert, weil wir es irre fanden, dass wir die Antifa-Fahne nicht mit rein nehmen können. Dann haben wir die Genoss*innen mit der roten Fahne getroffen. Nach längerer Diskussion haben sich die Mitarbeitenden entschlossen den Gedenkstättenleiter anzurufen. Der hat gesagt, dass es klar geht, dass wir mit der Antifa-Fahne und der roten Fahne auf den Appellplatz dürfen. Es waren viele andere Fahnen trotzdem da, von MLPD, KPD, DKP, DDR und so. Die hatten die Fahnen in ihren Beuteln und haben sie so mit rein geschmuggelt.
Annika: Die Argumentation war auch sehr inkonsistent. Es hieß ja: Keine Organisationsfahnen. Und darunter wurde auch die Antifa–Fahne gefasst. Und als wir mit der roten Fahne dann auf die andere Gruppe getroffen sind, waren die gerade in der Diskussion darüber. Wir hatten die rote Fahne dabei und sollte die auch erst nicht mit rein nehmen dürfen. Da habe ich gesagt, dass ich das für eine sehr inkonsistente Argumentation halte, weil weder die Antifa-Fahne noch die rote Fahne zu einer Organisation gehören, sondern das Fahnen der Bewegung sind.

Umkämpfte Interessen

Annika: Es gibt sehr unterschiedliche Interessen an der Veranstaltung. Man muss die verschiedenen Interessengruppen nochmal differenzieren. Einerseits gibt es politische Gruppen, die ein Interesse haben, dort zu gedenken und es gibt andererseits auch die Gedenkstätte. Sie ist eine Institution mit eigenem Interesse und einem bestimmten Interesse daran, wie dieses Gedenke aussieht. Das Fahnenverbot ist eine Reaktion auf etwas, das in den vergangenen Jahren immer sehr skurril nach außen gewirkt hat: Wenn man an diesem Tag in den letzten Jahren vor Ort war und man schaut sich am Abend den Bericht dazu in der Tagesschau an, dann sind das wie zwei vollkommen unterschiedliche Ereignisse. Wenn man dort vor Ort ist, da sieht man einen Appellplatz mit ganz vielen Gruppen, die ganz viele verschiedene Fahnen haben (wie angesprochen: DDR-Fahnen, Thälmann-Fahnen etc.). Und wenn man die Tagesschau schaut, dann ist das immer bild-technisch gut ausgeschnitten. Der Fokus geht auf Christian Wagner und die Überlebenden, das Fahnenmeer wird ausgeblendet. Was die Gedenkstätte da dieses Jahr versucht hat, ist dieses Fahnenmeer auch praktisch vor Ort irgendwie auszublenden. Das hat seinen Grund darin, dass die Gedenkstätte auch ein politisches Interesse daran hat, dass das Gedenken nicht in dieser Form von diesen Gruppen „instrumentalisiert“ oder benutzt wird.

Paul: Dass es diese Deutungskämpfe gibt, ist, wie bereits angesprochen, ja nichts Neues. Was sich meiner Ansicht nach geändert hat, ist der Umgang der Gedenkstätte damit. Genau an dem Punkt könnte man sich, wenn man das wollen würde, auch politisch damit auseinandersetzen und nicht einfach sagen: Wir streichen alle Fahnen. Das ist ja keine Auseinandersetzung. In diesem Jahr hat sich die Gedenkstätte den faulen Kompromiss einkauft, dass keine Fahnen mehr zu der Veranstaltung mitgeführt werden dürfen, ausgenommen die der Opferverbände. Das führte dazu, dass wir anfangs auch unsere Antifa-Fahne nicht mitnehmen durften. Das ist an diesem Ort und in Anbetracht des Anlasses, zu dem man sich da befand, verrückt. Dabei ging es natürlich nicht dezidiert um die Antifa-Fahne, sondern eher um Parteifahnen wie die der DKP–, MLPD– oder DDR–Fahnen. Aber sie sagten, wenn wir unsere mitnehmen, würden auch die ihre Fahne mitnehmen wollen und das wollte man unterbinden. Das Fahnenverbot ist dahingehend ein fauler Kompromiss, als dass es eine Methode ist, sich nicht inhaltlich mit denen auseinanderzusetzen, deren Fahnen man nicht will.

Annika: Ja, genau. Ich denke auch gar nicht, dass es ein sinnvolles Mittel ist, um gegen die Okkupierung dieser Veranstaltung durch solche kommunistischen Splittergruppen vorzugehen. Was es dieses Jahr auch gab, waren laute, unpassende Zwischenrufe oder einfach freche Zwischenrufe, Gelächter an Stellen, wo man sich einfach fragt, wie kommt man dazu, jetzt hier zu lachen. Das wird nicht durch ein Fahnenverbot verhindert. Die Leute sind weiterhin dort, die werden weiterhin das Gedenken für sich nutzen, die werden auch weiterhin Rundgänge über das Gelände durchführen, wo die Gedenkstätte keinen Einfluss darauf hat, was da erzählt wird. Ich würde das Verbot nicht als die richtige Reaktion auf die mitgeführten Fahnen beschreiben, sondern zeigen, was sich dahinter verbirgt: nämlich das Interesse der Gedenkstätte, mit einer Art seriösen Gedenkveranstaltungen in der bürgerlichen Öffentlichkeit aufzutreten.

Störungen des Gedenkens

Annika: Es kommen immer wieder Buh-Rufe und Gelächter bei der Veranstaltung, dieses Jahr in einem besonderen Ausmaß. Es wurde über Überlebende aus der Ukraine gesprochen. Es war ja wegen des Krieges dieses Jahr sowieso sehr aufgeladen. Gelacht wurde während der Rede vom Stiftungsdirektor Wagner, als er über den Angriffskrieg in der Ukraine in seiner Rede erwähnte: Auch in der Ukraine leben Überlebende und Boris Romanchenko, einer der Überlebenden von Buchenwald, ist vor 1,5 Jahren bei einem russischen Angriff zu Tode gekommen. Das ist natürlich ein wichtiger Bezugspunkt und es war ganz klar, die Gedenkstätte wird darüber sprechen. Dabei kamen die Buh–Rufe. Es wurde aber auch bei einem Überlebenden kommentiert, was er gesagt hat. Naftali Fürst ist Präsident des Internationalen Komitees Buchenwald- Dora. Er lebt schon lange in Israel. Er ist ursprünglich in der Slowakei geboren und aufgrund der Ermordung seiner Familie irgendwann nach Israel emigriert. Er hat aus seiner israelischen Perspektive gesprochen und hat gesagt, er macht sich Sorgen um die Demokratie in seinem Land, wegen der aktuellen politischen Debatten in Israel. Das wurde kommentiert von Menschen, die hinter mir standen: Im Sinne von „Was die mit den Palästinenser*innen machen, alles das gleiche“. Einerseits ist das für sich genommen schon eine Relativierung. Andererseits wurde Fürst damit adressiert als ein Vertreter des israelischen Staates und nicht wie ein in der Slowakei geborener Jude, der auf Grund seiner Verfolgungsgeschichte nach Israel emigrieren musste. Ich finde es schwierig zu entscheiden: Diskutiert man dann da vor Ort mit den Leuten oder macht man das nicht. Mich macht das dann immer wütend und ich merke auch wie ich während der gesamten Gedenkveranstaltung stets in einer angespannten Haltung bin. Ich kann mich dann gar nicht so richtig darauf konzentrieren, was gesagt wird, weil ich die ganze Zeit nur denke, was passiert eigentlich gleich.

Paul: Man weiß auch gar nicht so richtig, wie man darauf reagieren soll. Jede Reaktion darauf wäre auch wieder eine Störung der Veranstaltung und Reden. Das ist aber jedes Jahr so, dass es schwierig ist, da angemessen drauf zu reagieren. Die Veranstaltung wird als Ort genutzt, um die Parteifahne hochzuhalten. Das ist schon verrückt, bei einem parteiunabhängigen Gedenken. Das wird als Bühne genutzt, um evtl. in der Tagesschau mit der Fahne aufzutauchen. Wahrscheinlich ist es eher ein Identifikationspunkt als ein Gedenken an die Ermordeten. Letzteres ist der Grund, aus dem ich da hingehe; nicht nur weil es auch Antifaschist*innen waren, sondern auch weil dort von Nazis Menschen ermordete wurden.

Entpolitisierung des Gedenkens

Annika: Es gibt – positiv gewendet – vielleicht einen Punkt, wo es ein ähnliches Interesse zwischen uns und denen, die ihre Organisations-Fahnen mitführen, gibt: Nämlich sich diesen Ort und die Veranstaltung wieder anzueignen als eine linke, politische Veranstaltung. Was da als links verstanden wird, das unterscheidet sich dann natürlich und auch, was der Grund dafür ist, warum man das macht. Und da würde ich Paul zustimmen, dass das von vielen Seiten als Fläche für Propaganda genutzt wird. Ich habe ein Interesse an einer demokratischen Aneignung dieser Orte, dass sie von allen für ein Gedenken genutzt werden können, die sich damit irgendwie verbunden fühlen. Das sehe ich manchmal schon in Frage gestellt. Ich würde mich an den Tag auch nicht mit der Fahne meiner politischen Organisation hinstellen, auch wenn die Falken eine Organisation sind, die sich viel mit Gedenken beschäftigt und die auch ein Verband sind mit einer langen Tradition in dieser Form des Gedenkens. Aber das ist nicht das, worum es mir an dem Tag geht: Zu zeigen, dass ich von den Falken bin oder die gut finde. Das worum es mir da geht ist durch eine rote Fahne eine Zugehörigkeit zu einer Bewegung oder Bewegungsgeschichte darzustellen. Wenn überhaupt: Ich war an dem Tag mit einer Gruppe unterwegs, wo jemand die rote Fahne dabei hatte. Ich besuche die Veranstaltung sonst meist eher ohne Fahne.

Paul: Ich finde das Anliegen der Gedenkstätte auch ein Stück weit nachvollziehbar. Klar, man muss sich da nicht mit Organisationsfahnen hinstellen. Darum geht es bei dem Gedenken nicht. Man gedenkt ja der Menschen. Was mich aber gestört hat, ist, dass keine politische Auseinandersetzung damit stattgefunden hat bzw. der damit auch aus dem Weg gegangen wird.

Entdemokratisierung des Gedenk-Ortes

Annika: Das Verbot wurde über eine Änderung der Hausordnung geregelt. Die Hausordnung ist etwas, das hausintern verhandelt und geändert wird. Das ist nichts, wo eine demokratische Öffentlichkeit Mitspracherecht hat oder entscheiden kann. Sondern am Ende wird, wie auch in anderen Fällen, von der Gedenkstätte von ihrem Hausrecht Gebrauch gemacht, um etwas durchzusetzen, das eigentlich ein politisches Interesse ausdrückt. Und dass nicht nur im Sinne von, hier kommt niemand mit SS-Runen an den Ort, was natürlich auch politischer Inhalt ist, aber zweifelsohne nicht diskussionswürdig. Das ist eine interessante Beobachtung über die deutsche Gedenkstätten-Landschaft, wie sich das entwickelt. Einerseits wird gesagt, der NS, die Auseinandersetzung damit, das muss für Jugendliche auch interessant sein. Leute sollen sich darin wiederfinden können, man muss das Gedenken aufrechterhalten usw. Und am Ende sind das aber alles Dinge, die dazu beitragen, dass das niemand als Ort wahrnimmt, wo Sachen zur Verhandlung stehen und Sachen diskutiert werden. Sondern es wird durchgeregelt, weil es am wenigsten aufwändig erscheint.

Paul: Das ist eine Entpolitisierung des Gedenkens und zeigt auch, dass die Gedenkstätte sich nicht als politischer Akteur wahrnimmt und dieser Rolle annimmt. Man könnte ja auch eine öffentliche Auseinandersetzung darum führen, warum man Parteifahnen nicht da haben will. Das wäre auch eine politische Positionierung von der Gedenkstätte, die aber nicht stattfindet, wenn es intern über eine Hausordnung geregelt wird. Das erinnert mich an etwas, das Tuvia Tenenbom über seinen Besuch in der Gedenkstätte Buchenwald berichtet hat: Er hat es als Disney-Land bezeichnet und das auch im Gespräch mit dem damaligen Gedenkstättenleiter Knigge geäußert. Die Gedenkstätte hatte sich damals die Kritik gar nicht angenommen, sondern sich während der Gedenkfeierlichkeit darüber aufgeregt, dass da jemand in einem Buch, also öffentlich, Kritik geäußert hat. Daran sieht man auch, dass Auseinandersetzungen gar nicht geführt werden und gewollt sind, sondern man dem eher mit Abwehrhaltung oder Verboten begegnet.

Annika: Es gibt eine Entwicklung, dass das Gedenken von Menschen außerhalb der Gedenkstätten als nicht-demokratisch wahrgenommen wird, und auch von jungen Menschen nicht wahrgenommen wird und diese Orte jungen Menschen erscheinen, wie fertige Orte, an denen andere etwas machen, auf das man gar keinen Einfluss hat. Ich hoffe für die Gedenkstätten, dass ihnen das deutlich wird und die Orte dadurch gestaltbar werden. Denn eigentlich ist das eine Grundvoraussetzung dafür, dass sie die Vermittlungsziele, die eine Gedenkstätte verfolgt, überhaupt realisieren können und das es beiträgt zu einer kritischen historischen Bildung. Und als Antifaschistin in selbstorganisierten Zusammenhängen hoffe ich, dass es genügend Leute gibt, die sich weiterhin über solche Entwicklungen beschweren, in der Öffentlichkeit dazu äußern, sich dazu austauschen, was da für undemokratische Sachen passieren und das auch gegenüber den Gedenkstätten skandalisieren.

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