Der Widerstand gegen die Lager und rassistischen Ausländerbehörden geht weiter

Nicht erst seit der Correctiv- Recherche ist bekannt, dass es Pläne von Rechtspopulisten zur Deportation unserer Freund:innen und Nachbar:innen gibt. Wen die widerlichen Pläne der AFD und CDU als parlamentarischen Arm der Rechten am stärksten treffen werden, ist längst klar. Rechtsruck und rechte politische Praxis sind schon lange Alltag in der BRD und der unermüdliche Kampf gegen solche bleibt meist ein Kampf Einzelner, vor allem der Betroffener – findet XXX

Neuerdings empört gingen mit den «Alle-hassen-Nazis»-Demos nun tausende Menschen auf die Straße, die von rechter politischer und gesellschaftlicher Vereinnahmung vorher nicht viel gehört haben wollen. Mit dem für sich vereinnahmten «Aufstand der Anständigen» wird nun oft genau denen eine Bühne geboten, die sich in der Vergangenheit eben nicht gegen GEAS, nicht gegen Bezahlkarten und nicht gegen ein Rückführungsverbesserungsgesetz geäußert haben. Mit dem Zusammenschluss aller Parteien wird zudem der Vorwurf der AfD des «Allparteienkartells» bedient, dass alle Parteien gleich sind und nur die AfD dem Anspruch einer Anti-Establishment Partei gerecht werde, und die rechte Hegemonie damit letztlich gestärkt. Migrantische Stimmen, die sich eine konsequente Solidarität gegen rassistische Politik einfordern, werden hingegen von den Bühnen gebuht, ihnen spalterische Reden vorgeworfen und in vielen Fällen schlichtweg nicht geglaubt. Sie müssen sich rechtfertigen für ihr Erlebtes und das Recht, genau dies zur Sprache zu bringen.

Seit November rufen Bewohner:innen der Erstaufnahmeeinrichtung Hermsdorf immer wieder den Hungerstreik aus. Die Folgen? Keine. Der Protest blieb nahezu unbeachtet, abgekapselt in einer Lagerhalle am Rand einer thüringischen Kleinstadt wurden Proteste nicht gesehen. Dass diese soziale Isolation durchaus so geplant und gewollt ist, muss uns allen klar sein. Denn nicht kritikreiche Reden spalten uns und bagatellisieren die unerträgliche Migrationspolitik der sich jetzt so hoch anpreisenden «Demokrat:innen». Gezielt werden Menschen entmenschlicht, entrechtet und in Massen in Lager gesteckt. Durch diese Zustände werden sie depressiv, müssen weiterhin in Angst um ihre Zukunft leben und verlieren jegliche Hoffnung. Und das, nachdem Geflüchtete ohnehin oft traumatisches erlebt haben durch Krieg, Folter oder andere Gewaltsituationen. Dass mindestens die psychische Gewalt hier weitergeht, ist unerträglich. Über 500 Menschen stecken seit Monaten ohne jegliche Privatsphäre, ausreichend Verpflegung, angemessene ärztliche Versorgung und vor allem ohne Perspektive auf Verbesserung in Hermsdorf fest. Unzählige weitere Menschen verharren in anderen Lagern unter denselben Missständen. Man kann jetzt sagen, da wurde «versagt» – doch wir sehen: Die desaströsen Zustände werden geschaffen, da hier ankommende Menschen als unbedeutender betrachtet werden, und um ein Signal an weitere Menschen zu senden, die sich auf die Flucht in ein anderes Land begeben müssen. In der BRD jedoch sollen die Geflüchteten abgeschottet bleiben, um möglichst unsichtbar zu bleiben – was praktischerweise auch dabei hilft, keine Kritik laut werden zu lassen.

Hätten alle von den Zuständen im Lager in Hermsdorf mitbekommen, hätte es ja mit Sicherheit eine große «Alle-hassen-Lager»-Demo gegeben, mit welcher wir lautstark gegen die tatsächlich spalterische Migrationspolitik der letzten Jahre auf die Straße gegangen wären, oder? Vermutlich eher nicht. Es scheint, als sei der Kampf gegen Lager, gegen Abschottung und rassistische Migrationspolitik bei den aktuell vermehrt aufkommenden und von der Bevölkerung als «Antifaschistisch» bezeichneten Protesten nicht mitgemeint. Jetzt sei nicht die Zeit, «Demokrat:innen» zu kritisieren und «hysterisch» zu werden – wie es einer Rednerin, die auf dem Domplatz laut und wütend die Lagerhölle, Abschiebungen und die GEAS-Reform als nicht AfD-gemachtes Unrecht kritisierte, vorgeworfen wurde. Doch wann dann? Denn die Situation ist prekär. Wie prekär, das zeigt sich tagtäglich in den Ausländerbehörden. Die Kritik der Betroffenen ist nahezu überall gleich: keine telefonische Erreichbarkeit, sehr schlechte Erreichbarkeit per E-Mail, keine Terminvergabe, sehr lange Wartezeiten, zeitweises oder gänzliches Verschwinden von (mitunter wichtigen) Dokumenten, fehlende oder falsche Informationen, Sachbearbei- ter:innen scheinen Gesetze nicht zu kennen oder wollen nicht helfen, Sprachbarrieren werden absichtlich hochgehalten.

Rassismus und Diskriminierung gehören genauso zur gängigen Praxis und haben System wie Willkür und Schikane. Menschen, die von der Ausländerbehörde abhängig sind, haben noch mehr Angst vor der Polizei, wenn sie wegen der guten Arbeit der Behörde ohne anerkannte Papiere herumlaufen. Ohne können sie keine Wohnung mieten, kein Konto eröffnen, kein Studium beginnen, keine Arbeit finden oder ihren Arbeitsplatz verlieren. Wochen- oder monatelang keinen Termin zu bekommen, um bspw. eine Aufenthaltsgenehmigung verlängern zu lassen, wird für viele schnell existenzbedrohlich. Auch die Einbürgerung bei den Einbürgerungsbehörden dauert bis zu Jahren. Verwerflich findet das von den Verantwortlichen niemand. Man tut ja sein Bestes, da seien Sie versichert. Sich als Betroffene:r dagegen zur Wehr zu setzen, laut zu sein und seine Rechte einzufordern, wird unglaublich schwer gemacht – durch Einschüchterung, Zermürbung und Abhängigkeit.

Um sich mit Betroffenen vor Ort zu solidarisieren und zu zeigen, dass wir die Praktiken dieser menschenverachtenden Institution zutiefst verurteilen, fand über den ganzen September 2023 die Mahnwache «Wir sind Menschen, keine Akten!» vor der Ausländerbehörde Erfurt statt. Menschen berichteten uns bei Kaffee und Kippe unter unserem Pavillon von immer wieder frustrierenden Terminen, Verunsicherung, Wut und waren dankbar für den Austausch. Einer davon berichtete abgeklärt: «Seit Jahren wird mir nicht erlaubt zu arbeiten, auch nicht, meine Familie nachzuholen. Die Lage in meinem Herkunftsland ist chaotisch und gefährlich. Seit ich hier bin, sind auf dem Weg Richtung Europa schon mehrere meiner Angehörigen verstorben.» Eine Mutter erzählte von Rassismus im Alltag, mit dem schon ihr Kind aufwächst. Im Kindergarten weigern sich andere Kinder, mit ihm zu spielen. Ihr Herz bricht, sagt sie. «Viele junge Menschen hier tragen den Rassismus weiter, dabei liegt es doch gerade an uns, das zu verändern.» In starken Worten schaffte sie zu sagen, dass Integration keine Einbahnstraße ist. So bedrückend manche Gespräche mit Betroffenen waren – geprägt von Hilflosigkeit, manchmal Wut, manchmal umso wütender machende erfahrene Gleichgültigkeit über die Tatsache, wie Dreck behandelt zu werden – fühlte sich der Austausch dennoch bestärkend und manchmal ein Fünkchen kämpferisch an. Hoffentlich für alle Betroffenen vielfach mehr als für uns. Neben offenen und interessierten Passant:innen, denen das Problem Ausländerbehörde mal mehr oder weniger neu war, gab es auch den ein oder anderen abwertenden Blick und beleidigenden Kommentar bis hin zu rassistischen Pöbeleien und aufgedrängten weißen Männermonologen. Dank spontanem Support und Musik war die Laune an der Mahnwache trotzdem oft gut genug. Auch wenn ein breiterer Support unsere Wut über die Zustände in der Ausländerbehörde und die Solidarität mit den Betroffenen noch besser transportiert, es einzelne Leute entlastet, ihnen den Rücken gestärkt und Anfeindungen stärker abgewehrt hätte.

Seit kurzem gibt es eine weitere, die Grundrechte eines Menschen immens einschränkende Maßnahme, an der sich bei den «Alle-hassen-Nazis»-Demos offensichtlich niemand stört: Bezahlkarten für Geflüchtete. Anstelle von Bargeld bekommen Geflüchtete die ihnen zustehenden Leistungen dann nur noch auf die Kartegeladen. Damit bezahlt werden kann – so der ausgefuchste Gedanke – nur im eigenen Landkreis, Überweisungen sind nicht mehr möglich. Die neoliberale Partei der Reichen schwadroniert, mit der Minimierung finanzieller Anreize die illegale Migration reduzieren zu wollen (Aussage Lindner). Als würden sich Menschen freiwillig wegen der lächerlich niedrigen Bargeldzahlungen auf den Weg in die BRD machen, der nicht für wenige mit dem Tod endet. Befürworter:innen wollen Überweisungen in die Herkunftsländer, im Übrigen ohne jegliche Evidenz, unterbinden. Dass die 460 Euro (unter dem Existenzminimum) noch nicht mal in der hier herrschenden kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zum Überleben reichen, dürfte jeder und jedem klar sein. Unter Vorhaltung falscher Narrative werden Geflüchtete durch die Bezahlkarten zusätzlich kontrolliert, in die Abhängigkeit gebracht, ihre Selbstbestimmung reglementiert und die Integration sowie Teilhabe am Alltag erschwert. Die alleinige Nutzung im eigenen Landkreis stellt zudem einen massiven Eingriff in die Freiheitsrechte dar. Hier zeigt sich deutlich, wie sich rechtes Gedankengut bereits bei Politiker:innen und der Gesellschaft eingebrannt hat. Daher braucht es eine Bündelung aus linken Kräften, die zu Recht Parteien kritisieren, die sich dem Druck von Rechts oder aber ihrem eigenen Rassismus hingeben, ihre menschenrechtsunwürdige Asylpolitik von der AfD diktieren lassen und somit Teil des Problems und nicht der Lösung sind. Außerdem sei entgegen vieler parteipolitischer Reden auf den Anti-AfD Demos mit Nachdruck nochmal deutlich gesagt: Jeder Mensch hat das Recht auf Leben, auch in Deutschland. Vollkommen unabhängig davon, wie «gut integriert» und «rechtskonform» oder ob er «in Besitz eines Arbeitsplatzes» ist. Menschen müssen sich nicht der Normierung der Mehrheitsgesellschaft unterwerfen, ihre Arbeitskraft nicht verkaufen, um der kapitalistischen Verwertungslogik zu entsprechen.

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