Editorial
Es heißt, die fast unlösbare Aufgabe bestehe darin, sich weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht dumm machen zu lassen.
Am 1.12. berichtet eine Thüringer Lokalzeitung, dass die Mieten immer teurer werden und ein Mann, der vor der Zwangsräumung stand, von der Polizei erschossen wurde – nachdem er einen Polizisten an der Hand verletzt hatte. Am 16.12. mussten wir in Erfurt ohnmächtig zusehen, wie drei verängstigte Kinder mitten in der Nacht von bewaffneten Beamten aus dem Schlaf gerissen, in ein Polizeifahrzeug verbracht und dann deportiert wurden. Sie waren nur drei von 103, die am diesem Tag nach Serbien abgeschoben wurden. Serbien ist ein sicherer Drittstaat, obwohl Minderheiten dort systematisch von staatlichen Stellen verfolgt werden. Vielleicht besteht die Logik der ganzen Geschichte darin, dass man auch in Deutschland bei mindestens 800 Angriffen auf Geflüchtete und deren Unterkünfte im Jahr 2015 nicht ernsthaft davon sprechen kann, dass Geflüchtete hier sicher sind? Heißt dieses Aufrechnen schon, sich dumm zu machen? Wir hoffen nicht und suchen weiter nach Spuren, die einen Weg in eine bessere Welt gangbar machen können.
Der Infoladen Sabotnik und die Gruppe Pekari diskutieren in dieser Ausgabe darüber, wie man sich gemeinsam in der Position der Ohnmacht schlau machen kann. Mona Alona diskutiert, ob linke Großevents nur Ohnmacht kompensieren oder auch einen tatsächlichen emanzipatorischen Gehalt haben. Und dass die Verhältnisse von Macht und Ohnmacht Wahn gebären, machen nicht nur die Aluhut-Chroniken deutlich. Aber dass Ohnmacht auch Wut hervorruft, zeigt ein neues Zine aus Jena und eine Platte der Punkband Kellerasseln, die wir rezensiert haben.
Daran möchten wir gerne anknüpfen und nehmen uns für 2016 vor, uns weder dumm zu machen, noch uns mit Macht und Ohnmacht abzufinden. Irgendwann müssen ja bessere Zeiten kommen.
- News
- Alternative Studieneinführungstage
In Jena und in Erfurt haben linke Gruppen eine Veranstaltungsreihe zum Semesterbeginn organisiert. Die Lirabelle-Redaktion sprach mit Aktivist_innen von Pekari (Jena) und dem Infoladen Sabotnik (Erfurt). - Mitmenschlich
Während der Druck auf der Straße durch die organisierten Thüringer (Proto-)Faschisten steigt, geht die Thüringer Polizei gegen Antifas vor und die Zivilgesellschaft dreht auf dem Erfurter Domplatz ein Feel-Good-Movie. Von Ox Y. Moron. - Vorhang zu
So, nun ist’s vorbei, das schöne Tischlerinnentreffen – für Leser*Innen, die das Wort das erste Mal hören: wir sind gestandene Handwerksfrauen, egal, ob nun seit Geburt oder später durch eigene Entscheidung zur Frau geworden, die sich seit einem Vierteljahrhundert treffen, um sich über Berufsalltag auszutauschen, sich gegenseitig zu stärken, zu vernetzen, eine gute Zeit zu haben – eine Auswertung der Organisatorinnen. - „Teile und herrsche“ – eine bewährte deutsche Tugend
Wie die kolonialrassistische Praxis des „Teile und Herrsche“-Prinzips sich bis heute in der deutschen Gesellschaft und in den deutschen Behörden durchzieht. Und wie neokoloniale Praktiken unter dem Vorwand des „Helfens“ hier und in anderen Ländern, die von Deutschen bereist werden, jeden Tag umgesetzt werden. Von Lila Unkraut. - Bericht von den feministischen Radiotagen in Weimar
Anna Wegricht hat die ersten feministischen Radiotage mitorganisiert. - Großevents – der Linken liebstes Kind
Mona Alona widmet sich in ihrem Text der Frage nach der Motivation an linken Großevents teilzunehmen, indem sie versucht, ihre eigenen Beweggründen an ausgewählten Aktionen teilzunehmen, zu ergründen. - Das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung als Gefahr der Normierung und Lähmung
Von fast Allen unbemerkt hat im Oktober nach dem Bundestag auch der Bundesrat das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung durchgewunken. Damit müssen Telefonnummern und IP-Adressen, Dauer/Zeit von Telefongesprächen und Internetnutzung, Standortdaten (wann hat sich das Telefon wo wie lange aufgehalten) und wer wem SMS geschrieben hat vier bzw. zehn Wochen lang bei den Telekommunikationsanbietern gespeichert werden; Zugriff durch staatliche Behörden muss garantiert sein. Leony Schröder über die politische und soziale Bedeutung eines Rundum-Überwachungspakets. - Anarchismus mit Fußnoten
Vor Blogsport und Facebook, vor Myspace und Geocities und sogar vor CompuServe und AoL kamen die amtlichen Informationen vom Nachrichtenmann in der Tagesschau und einer überschaubaren Menge von Zeitungen, die das politische Spektrum der im Bundestag vertretenen Parteien abdeckten, dazu die verhasste BILD. Die radikale Linke setzte angesichts dessen auf Gegeninformation. Zeckige Heftchen in kleiner Auflage wurden im Westen über den Kopierer gezogen oder in der Uni-Druckerei gedruckt, im Osten mit Wachsmatritzen hektografiert und unter ungleich schwierigeren Bedingungen hergestellt. Autonome Demos waren behelmt und martialisch und eben eine solche Demo ist auf dem Titelbild des „Anarcho-Infoblatt Jena“ (AIB) abgebildet. Jemand freut sich über ein neues Zeckenheftchen aus Jena. - Mittelmeerromantik
Karl Meyerbeer hat sich eine Schallplatte der Kellerasseln angehört und angesehen. - Repressionsschnipsel
- Die Aluhut-Chroniken VII – Terror unterm Aluhut