Leserbrief von Katz Olution vom 17.04.14

liebes redaktionskollektiv.
 
seit einem jahr hab ich ein problem: ich kann nicht mehr rumhängen und nichts denken. alle sprechen nur über die lirabelle. dort sind szene-matsch und große ideen vereint auf einem papier. und wenn nicht alle darüber reden, dann nur weil sie gerade etwas dafür produzieren oder sie lesen.
aus einer zutiefst intuitiv, reflektierten, aber undurchbrochenen anti-alles-verweigerungshaltung hatte ich lange keine lust sie zu lesen. aber da es in erfurt jetzt bald den zwölften monat kein entkommen mehr gibt, quälte ich mich doch dadurch. lichtblicke dabei sind die katzenbilder. aber dann erfüllte mich die letzte ausgabe (#4) mit wut, angst, sorge … – was war passiert?
auf seite 54 rechts unten steht in fußnote 4:
„wir, die dadaistische jugendkoordination krawinkel/internationalistische nichtstuer_innen assoziation, bündnis 90 kommandozentrale flatsch, halten diese fußnote besetzt, bis all unsere forderungen erfüllt sind, die da lauten: weniger fußnoten, weniger text, mehr katzenbilder!“
die betroffenenperspektive akzeptierend frage ich hier direkt an das redaktionskollektiv: wie geht es fußnote 4?
was passiert dort? ist es eine offene besetzung? wird sie militant verteidigt? wenn sich das redaktionskollektiv trifft, schifft es jetzt voller unbehagen um diese fußnote herum? wird die nächste lirabelle voll leerer seiten erscheinen, weil sich die besetzung ausbreitet? was kann dagegen getan werden? ein polizeieinsatz wird grundsätzlich ausgeschlossen sein: das wäre nicht szene-konform und die lirabelle würde sich schon vor der revolution selbst zerstören. das kann niemand wollen.
was dann? der deutsche staat verhandelt nicht mit besetzer_innen, erpresser_innen, also mit terrorist_innen. sollte es uns eine lehre sein, dass der das privateigentum garantierende arschloch-staat nicht verhandelt und wir es deswegen umso mehr in erwägung ziehen sollten? ich denke an dieser stelle hilft keine allgemein gültige regel, sondern nur die auseinandersetzung mit den konkreten forderungen der besetzer_innen.

„weniger fußnoten, weniger text, mehr katzenbilder!“

 die erste forderung zielt nur darauf die eigene position zu stärken, weil umso weniger fußnoten es gibt, umso wertvoller ist die noch besetzte und desto größer das damit aufbaubare druckpotential. das ist also keine forderung, die die situation für die erpressten lösbar macht. die zweite forderung nach weniger text erscheint zuerst absurd: warum sollten nicht unmengen an text produziert werden, deren inhalt so schon an anderer stelle ausführlicher, stilistisch sauberer, in schönerem einband (blau oder schwarz) zu finden ist? an dieser stelle hilft nur das bündnis 90 im namen der erpresser_innen ernst zu nehmen: es geht ihnen definitiv um den schutz der bäume. das kann das redaktionskollektiv allerdings auch durch die benutzung von recycling-papier erreichen. die forderung verpufft. was bleibt? die letzte forderung: mehr katzenbilder.

katzen

die widersprüchlichkeit dieser welt zeigt sich in ihnen am deutlichsten: haus- und wildkatzen sind kaum zu unterscheiden. die katzen sind flauschig und kratzig zur gleichen zeit. domestiziert und trotzdem symbol der freiheit. abhängig von ihren dosenöffnern (besonders die mit frischluftphobie) und dennoch als freie unter den tieren zu sehen, erscheint ihre abhängigkeit doch stets wie eine gewählte. („du musst mich füttern, aber wenn mir das nicht mehr gefällt, fress‘ ich den kanarienvogel!“) agil, intelligent, vorsichtig und trotzdem so doof, es sich auf einer sonnenbeschienenen hauptstraße gemütlich zu machen, nur weil es dort warm ist. autonom und trotzdem anhänglich. kaltherzig und dennoch voller liebe. egoistisch und zutiefst solidarisch. (wer ignoriert dich nach einem lohnarbeitstag und kuschelt sich an dich, wenn du normal-traurig herumliegst?) überhaupt: ein tier mit wille. ein objekt-subjekt. wie die menschen. in der katze ist vereint, was abzuschaffen und was aufzuheben ist.
 man muss den erpresser_innen also attestieren: sie sind kämpfer für die unabsehbare revolution. statt sich zerfetztendem szene internen matsch und ergänzend zu traurig machenden texten, fordern sie die sinnliche erfahrung von einer, die uns hoffen lässt: die katze. deswegen unterstütze ich ihre forderung. meine angst davor, dass die nächste lirabelle leer bleibt und meine wut darüber, dass sich besetzer_innen mit dem schicken label des nichts-tun schmücken, haben sich in traurigkeit darüber gewandelt, dass sie sich, um die welt zu einem besseren ort zu machen, der besetzung einer fußnote bedienen. ihre dritte forderung ist dennoch zu erfüllen und ich möchte sie noch erweitern: solidarbesuche im tierheim. streichel- und kraulabende. mehr hardfacts über katzen in jeder lirabelle. ein künstliches katzenfell auf jedem cover (damit das einschlafen nicht mehr so einsam ist). eine dem symbol der hoffnung gerechte umbenennung aller stützpunkte:
für die KA17! für den infoladen koschka! für die K50! für das KatKo! für die kralle! für die katzen union! für die k.a.t.z.! für wider den dosenöffnern! für die katzenantifa! für den club cat!
 
für die katzolution!

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