„Unsere Solidarität, die könnt ihr haben!“

Die Josef-Soligruppe aus Jena resümiert die bisherige Entwicklung, um anschließend zentrale Aspekte unserer Solidaritäts- und Antirepressionsarbeit zu hinterfragen.

Josef, unser Freund und Genosse, sitzt seit dem 24. Januar diesen Jahres im Knast. Er wurde am Ende der Proteste gegen den Wiener Akademikerball festgenommen und dort in U-Haft gesteckt. In der Anklageschrift vom 10. März werden ihm versuchte schwere Körperverletzung, schwere Sachbeschädigung und Landfriedensbruch in Rädelsführerschaft vorgeworfen. Bis zum Prozessbeginn am 6. Juni wird er nicht aus der U-Haft entlassen.

48 Stunden nach Josefs Verhaftung wurde die U-Haft, die aufgrund des angeblich vorliegenden Tatverdachts angesetzt worden war, von der Haftrichterin verlängert und mit Verdunkelungsgefahr begründet. Verdunkelungsgefahr bedeutet, dass davon ausgegangen wurde, dass Josef Spuren und Beweise seiner vermeintlichen Tat vernichten wolle – bei einigen während der Demo zu Bruch gegangenen Scheiben eine absurde Unterstellung. Am 10. Februar verlängerte die Haftrichterin die U-Haft ein weiteres Mal und begründete dies mit einer angeblich vorliegenden Tatbegehungsgefahr (vergleichbar mit Wiederholungsgefahr). Es wurde offenbar davon ausgegangen, dass Josef sofort nach seiner Entlassung die nächste Bullenstation entglasen und den erstbesten Streifenwagen zerdeppern würde. Sie meinte zudem, dass zwei Wochen Knast noch „keinen ausreichenden erzieherischen Charakter“ gehabt hätten. Wenigstens wurde ihm nun Besuch von Freund*innen gestattet, bis dahin durfte ihn nur die Familie besuchen.

Die nächste Haftprüfung vom 10. März wurde von der Staatsanwaltschaft (StA) verhindert, indem sie in letzter Minute die Anklageschrift einreichte und damit die Zuständigkeit von der Haftrichterin zum Hauptverhandlungsrichter wechselte. Daraufhin stellte die Verteidigung einen Enthaftungsantrag. Dieser Antrag wurde jedoch vom Hauptverhandlungsrichter abgelehnt mit der Begründung: der dringende Tatverdacht sei nicht erschüttert und es bestehe weiterhin Tatbegehungsgefahr. Außerdem legte die Verteidigung am 2. April Einspruch gegen die Anklageschrift ein. Sie monierte, dass die StA entgegen ihrem gesetzlichen Auftrag nur einseitig, also keine entlastenden Tatsachen ermittele, politische Wertungen in die Anklageschrift übernommen und weder dem Gericht noch der Verteidigung alle Beweismittel vorgelegt habe. Die Anklage baut hauptsächlich auf der Aussage eines Zivilbullen auf, der Josef die gesamte Zeit während der Demonstration verfolgt haben will. Er behauptete unter anderem, Rufe von Josef auf seinem Handy aufgezeichnet zu haben. Ein Stimmgutachten widerlegte dies, was die Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen erheblich infrage stellte und Anlass für einen erneuten Enthaftungsantrag gab. Am 9. Mai wurde dieser wiederum abgelehnt – weiterhin aufgrund der angeblichen Tatbegehungsgefahr und der „zu erwartenden unbedingten langjährigen Haftstrafe“. Zudem wurde der Einspruch gegen die Anklage verworfen und der Prozessbeginn auf den 6. Juni gelegt.
Wir halten fest: Bei der Wiener Justiz besteht ein unübersehbarer Wille, an Josef ein Exempel zu statuieren.

Zur Soliarbeit der Unterstützer*innengruppe in Jena

Unmittelbar nach Josefs Festnahme haben wir uns in Jena als Unterstützer*innengruppe zusammengefunden. Wir kommen aus verschiedenen Organisationen und Zusammenhängen; uns eint die Solidarität mit Josef, der unser Genosse und teilweise auch Freund ist. Wir haben zu den Haftprüfungsterminen Kundgebungen organisiert und so Öffentlichkeit für den Fall geschaffen, verteilen Flyer und Sticker, sammeln Geld für die Prozesskosten, organisieren Soli-Parties und Info-Veranstaltungen, unterstützen Soli-Veranstaltungen Anderer, schreiben Briefe und Postkarten an Josef und animieren auch Andere dazu, halten Kontakt zu weiteren Gruppen, die sich um Josef bemühen, kümmern uns um viele andere kleine Alltagsaufgaben und werden den Prozess kritisch mitverfolgen.

Ohne den Anschein erwecken zu wollen, dass unsere Antirepressionsarbeit von einem dauerhaften Reflektionsprozess begleitet ist, möchten wir an dieser Stelle dennoch ein paar Gedanken zum bisherigen Verlauf äußern, die sowohl kritische Fragen aufwerfen, als auch einen Ausblick für die Zukunft bieten:

1. Wir fokussieren uns offensichtlich auf Josef. Abgesehen von Joel1 und Adel,2 die wir bisher öfter erwähnt haben, nehmen wir auf keine anderen Fälle staatlicher Repression Bezug, von praktischer Solidaritätsarbeit ganz zu schweigen. Dies betrifft nicht nur eine Unzahl „sozialer“ und „politischer“ Gefangener, sondern auch all die Refugees in den Abschiebeknästen und Lagern.
Eine bessere Vernetzung mit anderen Antirep-Initiativen könnte nicht nur mehr Öffentlichkeit schaffen, sondern auch den Kreis solidarischer Aktivist*innen vergrößern und somit die praktische Hilfe für die Leute im Knast verbessern.

2. Zu Beginn haben wir überwiegend praktische und direkte Hilfe für Josef geleistet und wenig inhaltlich gearbeitet. Mit den Infoveranstaltungen, die wir seit April halten, versuchen wir, dies zu überwinden. Trotzdem werden wir nicht so schnell eine gemeinsame allgemeine Kritik an (Rechts-)Staat und Repression entwickeln und es stellt sich die Frage, ob das unser Anspruch ist. Ein Bewusstsein gerade darüber ist aber unumgänglich, wollen wir verstehen, warum mit Josef passiert, was mit ihm passiert. Als ein zusammengewürfelter Haufen von Leuten, deren (Polit-)Alltag schon so stressig genug ist, haben wir dazu jedoch weder Zeit noch Kapazitäten.

3. Ungefähr bis Mitte März hatten wir wie kleine Roboter gearbeitet. Dann stellte sich heraus, dass Josefs Fall wider Erwarten keine Sache von kurzer Dauer bleiben würde und uns wurde klar, dass wir nachhaltiger arbeiten müssen. Soli-Arbeit darf nicht immer ausgegliedert und über Parallel-Strukturen funktionieren, sondern muss mehr von existierenden Strukturen mitgetragen, mitgedacht und in die eigene, alltägliche politische Praxis integriert werden.

Soviel zum momentanen Diskussionsstand. Wofür wir auf alle Fälle dankbar sind, ist die Solidarität mit Josef, die wir regelmäßig selbst erleben können. Seit Ende Januar erhalten wir große und kleine Spenden, die von verschiedensten Einzelpersonen, Gruppen und Organisationen gesammelt werden. Hinzu kommen die vielen Aktionen, Fotos und Texte, die uns aus der ganzen Welt erreichen und die zeigen, dass die Solidarität für Josef keine Grenzen kennt. So wie der Kampf weitergeht, werden auch wir unsere Praxis weiter kritisch hinterfragen und weiterentwickeln. Wir hoffen, in diesem Beitrag anhand unserer Erfahrungen einen Eindruck über linksradikale Antirepressionsarbeit und ihre Fallstricke vermittelt zu haben. Haltet euch auf dem Laufenden. Wir bleiben solidarisch: Freiheit für Josef!

Soligruppe Josef, Mai 2014.
soligruppe-josef@riseup.net
soli2401.blogsport.eu

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