Aluhut-Chroniken XXIII: Die Bruderschaft der Krypto-Jünger

Die Begeisterung für neue Technologien trägt oft geradezu religiöse Züge. Zum Beispiel bei der Blockchain. Das ist eine dezentral geführte Liste von Datensätzen, mit der sich eine kollektive Verwaltung von Informationen erreichen lässt. Was kann man damit machen? Statt das liebe Geld zur Bank zu bringen und darauf zu vertrauen, dass der Staat für den Wert bürgt, lässt sich mit der Blockchain dezentral verwaltetes, digitales Geld realisieren. Der virtuelle Reichtum entsteht durch ungemein komplizierte mathematische Operationen, hier wird Rechenleistung (also: Strom) in Kryptogeld verwandelt. „Dezentral“ bedeutet, dass Werte in Bitcoin oder Ethereum auf einem handelsüblichen Personalcomputer erzeugt werden können. Zumindest in der Theorie, praktisch sind PC schon lange nicht mehr leistungsfähig genug, um mitzuhalten, weswegen man die Sache dann am Ende doch in der Regel einer Art Bank überlässt. Aber egal, wenigstens ist die Bank total digital und verbraucht 1000x so viel Strom wie die Sparkasse. Weil dabei ungeregelte Finanzmärkte entstanden sind, haben risikofreudige Großanleger*innen seit 2018 massiv überschüssiges Kapital in digitalen Währungen angelegt. Angelockt von immensen Gewinnerwartungen zogen Kleinanleger*innen nach – und sahen dumm aus, als 2022 die Kurse fielen. Soweit könnte man sagen: Manche haben gewonnen, andere verloren, was ist daran relevant? Interessant sind die Hoffnungen, die Manche mit den elektronischen Währungen verbinden. Die Begeisterung für Do-It-Yourself-Geld, das unabhängig vom Staat funktionieren soll, ist nichts neues. Seit es den Kapitalismus gibt, wird das Geld mystifiziert. Dass es als Vergegenständlichung von Wert fungiert, aber selbst keinen Nutzen hat, außer tauschbar zu sein, hat schon immer die Phantasie der Geldpfuscher­*innen angeregt. Tauschringe, Schwund­geld, natürliche Wirt­schaftsordnung, Re­gionalwährungen wie der Erfurter Rad­gul­den (Lirabelle 8) – alles Konzepte, die daraus entstanden sind, dass der Kapitalismus unverstanden blieb und nur die sichtbare Vergegenständlichung des Werts in den Blick genommen wurde. In der Praxis laufen all diese Versuche darauf hinaus, das für den Kapitalismus typische Tauschverhältnis im Kleinen nachzubauen, statt abzuschaffen. Die irrationale Überzeugung ist, die Scheiße mit dem Geld würde funktionieren, hielten sich Staat und Politik nur raus. Das ist mit dem Kryptogeld nun auf ein Neues (und: für’s erste) gescheitert. Was kein Wunder ist. Dass die verallgemeinerte Konkurrenz, also das ständige „Alle gegen Alle“, besser funktioniert, wenn es weniger Regeln gibt, ist eben auch keine gute Idee. Entsprechend sind neben Superreichen aus dem High-Tech-Business vor allem liberale und rechtslibertäre Marktanbeter*innen eingestie­gen. Dass ausgerechnet viele derjenigen, die auf die Segnungen einer „wirklich freien Marktwirtschaft“ gehofft hatten, nun ihr Geld los sind, ist am Ende irgendwie auch wieder witzig – wobei man bei aller Schadenfreude nicht vergessen sollte, wie ressourcenintensiv der Quatsch ist: Allein für Bitcoin, die größte der Kryptowährungen, wurden 2021 ca. 75 Terawattstunden elektrischer Energie verbraucht – mehr als der jährliche Stromverbrauch von ganz Österreich. Anders gesagt: Hätte man es von vornherein darauf angelegt, etwas wirklich richtig bescheuertes zu tun, wäre es mit dieser Energiemenge auch möglich gewesen, das Wasser im Hohenwarte-Stausee komplett zu verdampfen und die aufsteigenden Wolken anzubeten.

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