Lirabelle #22

Alle reden über Corona. Wir nicht. Oder zumindest nur ein bisschen. Schwerpunktthema dieser Ausgabe ist Sexismus. Aus Gründen: In den letzten Monaten häufen sich sexistische Vorfälle in der linken Szene: Übergriffe in Erfurt, eine Vergewaltigung in Gotha, Spanner auf Festivals und in linken WGs. Was ist los? Eine Erklärung wäre, dass gerade viele Männer durchdrehen, eine andere, dass heute vieles öffentlich wird, das früher eher unter den Teppich gekehrt wurde. Was auch immer zutrifft (vielleicht beides), Gegenwehr ist nötig. Unser Beitrag dazu besteht erst mal nur in Buchstaben, aber davon haben wir viele: Das Gespräch auf den Seiten 8-12 dreht sich um eine einfache Selbstverständlichkeit, die leider manche Genossen immer noch nicht kapieren: dass in einer durch Ungleichheit strukturierten Gesellschaft die selbe Handlung (das T-Shirt auszuziehen) sehr unterschiedliche Bedeutungen haben kann, je nachdem, welchem Geschlecht man angehört. Oder auch nicht angehört. Der anschließende Sachtext diskutiert die Widersprüche, in die wir uns verstricken, wenn wir (aus gutem Grund) dem Staat als ordnender Instanz misstrauen und daher einen selbstorganisierten Umgang mit Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen finden müssen. Zwei Beiträge im Kulturteil betrachten das Patriarchat von der Täterseite: Männlichkeit als autoritäre Formierung ist hier das Thema. Zwischen den Sexismus-Artikeln findet ihr wie immer News, eine Rezension, einen Debattenbeitrag zur Viruskrise und ein minutiöses Protokoll des Kemmerlich-Höcke-Putschs. Bis wir ganz am Ende – so viel Zugeständnis an den Zeitgeist muss sein – nochmal zum Virus kommen: Die Aluhut-Chroniken drehen sich um die Corona-Verschwörung. Die ja eigentlich wir angerührt haben, damit wir endlich genug Zeit haben, zuhause zu sitzen und diese Zeitung zusammen zu tackern. Wir wünschen viel Spaß damit.

Die Redaktion der Lirabelle 22

  • News
  • Warum wir auf Festivals vorerst unsere T-Shirts anbehalten
    Auf einem linken Festival im Sommer 2019 stand ein knapp bekleideter Frontman auf der Bühne und forderte das Publikum auf, sich auszuziehen. Er selber, sagte er, sei gerne nackt und wolle daher, dass auch alle anderen nackt sind. Alles andere als amused über die Relativierung von Sexismus und des Problems der Unmöglichkeit für Frauen, sich in der Öffentlichkeit (nackt) frei zu bewegen, ohne damit ungewollte Reaktionen zu evozieren – auch innerhalb der Linken* – wurde der Vorfall Gegenstand eines Gesprächs mit einem Typen, der die Empörung der beteiligten Frau nicht nachvollziehen konnte. Er äußerte schließlich, es sei unemanzipatorisch von Frauen, wenn diese auf Festivals ihr T-Shirt nicht ausziehen wollen. Konfrontiert mit diesemVorwurf tauschen sich Dracaena, Prinsepia und Helesia in einem lockeren Gespräch über die Gründe aus, aus denen sie dies nicht tun werden.
  • Antisexismus in Theorie und Praxis
    Im Artikel zeigt Hermine Danger auf, mit welcher Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit man es zu großen Teilen in der Linken zu tun hat, wenn Übergriffe und Vergewaltigungen in der eigenen Szene passieren.
  • Der Kemmerich-Höcke-Putsch – Das Minutenprotokoll
    In Thüringen fand am 5. Februar 2020 die Wahl des Thüringer Ministerpräsidenten statt. Die Auswirkungen dieses denkwürdigen Ereignisses wurden zu einem bundesweiten Politikum. Um diese Entwicklungen für die Nachwelt zu konservieren, gibt es hier das offizielle Minutenprotokoll von Ox Y. Moron.
  • Sind wir nicht alle links-grün verseucht? Eine Kritik am pandemischen Ausnahmezustand
    Anhand des Strategiepapiers des Bundesinnenministeriums zur Bekämpfung der Corona-Pandemie kritisiert Jens Störfried das aktuelle Krisenmanagement und seine potenziellen Folgen, die auch viele Linke leichtfertig in Kauf zu nehmen scheinen. Damit soll das Bewusstsein gestärkt werden, dass es auch bzw. gerade jetzt Kritik unter anderem an der halben Ausgangssperre und anderen autoritären Maßnahmen, sowie eine Weiterentwicklung unserer Vorstellungen von Solidarität braucht.
  • Der Dicke Mann
    Ein Wortschwall über Wichtigtuer. Von Jemandem.
  • „Bücher machen den Kopf kaputt!“
    Das Lieblingsfreizeitthema von Beta ist Sexualität und alles was dazu gehört. Bei ihren Dates mit Männern außerhalb ihres Klüngels macht sie so allerlei verwirrende Erfahrungen. In der Lirabelle schreibt sie in loser Folge aus feministischer Perspektive über ihre Erlebnisse.
  • Das organisierte Erbrechen
    „Das ist doch nur Spaß“ sagen die Leute, die finden, dass es voll witzig ist, eine Deutschland-Gemeinschafts-Party um 19.33 Uhr beginnen zu lassen, wie es in Erfurt am Rosenmontag passiert ist. Und wenn sie damit meinen: „Das ist typisch Karneval“ haben sie damit recht. Harry Schulz ist in einer rheinländischen Karnevalsfamilie aufgewachsen und kann einiges über das organisierte Erbrechen erzählen. Der Text thematisiert Sexismus, Rassismus, Sozialchauvinismus und sexualisierte Gewalt gegen Kinder.
  • „Mein Weg vom Kongo nach Europa. Zwischen Widerstand, Flucht und Exil.“
    Carola Miniapolis rezensiert ein Buch von Emmanuel Mbolela.
  • Repressionsschnipsel
  • Die Aluhut-Chroniken XVII – Die Corona-Verschwörung
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