Editorial
Die aktuelle Lirabelle ging kurz nach der Bundestagswahl in den Druck. Auf die Schnelle fallen zwei erfreuliche Dinge dazu auf: Weder die FDP noch das BSW haben es über die Fünf-Prozent-Hürde und damit in den Bundestag geschafft. Und der FDP könnte man gemäß ihrer eigenen neoliberalen Logik vorhalten, dass sie sich dann ja wohl einfach nicht genug angestrengt hat.
Auch die hohe Wahlbeteiligung mögen manche als etwas Positives sehen, eigentlich aber heißt das, man kann sich nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Thüringen tatsächlich jede:r dritte Wahlberechtigte AfD gewählt hat. Das ist etwas, das wir schon nach der Landtagswahl wussten. Was die Landtagswahl in Thüringen im September 2024 außerdem alles deutlich gemacht hat und mit sich brachte, fasst Ox Y. Moron im Text Wir sind weniger zusammen. Bereits der Titel des Artikels deutet dabei auf die Kehrseite des irrationalen Rechtsrucks hin: Die Linke ist marginalisiert und hat diesem wenig entgegenzusetzen.
Versuche als Linke wieder handlungsfähig zu werden, gibt es dennoch (oder ebendarum), wie im Interview mit der Stadtteilgewerkschaft aus Erfurt zu lesen ist. Welche Fallstricke eine Stadtteil-Basisarbeit aufweist, die Parallelen zum aus den USA stammenden Community Organizing hat, zeigt Max Unkraut, im auf das Interview folgenden Artikel zu Idee und Kritik des Community Organizings. Dass es dabei gerade die Linke ist, die sich selbst in der Position glaubt, die Verhältnisse zum Besseren zu verändern, scheint ob der Nicht-Bereitschaft sich mit Antisemitismus und Sexismus innerhalb der eigenen Szene überhaupt auseinanderzusetzen oder diese gar aufzuarbeiten, manchmal fragwürdig; näheres dazu in den Updates zu den Outcalls in Thüringen und einem Debatten-Beitrag zum Verhalten von linken Gruppen zum Nahostkonflikt in Thüringen.
Außerdem geht es um eine verhinderte Abschiebung, um Repression und was dem entgegengesetzt werden kann, es gibt einen Nachruf auf Lothar König u.a.
Wenn ihr in der nächsten Ausgabe etwas veröffentlichen wollt (einen Artikel, eine Glosse, eine Collage, Bilder o.a.), schreibt uns eine Mail an lirabelle@riseup.net
Die Redaktion der Lirabelle 33
PS: Es ist wichtig, selbstorganisierte Strukturen aufrecht zu erhalten und zu stärken, darum organisiert Geld für den Druck der nächsten Ausgaben.
Inhalt
- News
- Update zu den Outcalls aus Gotha & Saalfeld
Betroffenensolidarische Strukturen haben unabhängig voneinander zwei Updates veröffentlicht. Das Ziel ist ähnlich: Betroffene wollen einen Abschluss finden. Der Stand bezüglich der Aufarbeitung der Geschehnisse und der Ermöglichung dieser in linker Subkultur bleibt frustrierend und erschütternd. - Wie raus aus der Sackgasse? Triggerwarnung: Nahostkonflik
Mascha Kalakadu und Pia Puuh fordern eine reflektierte Solidarität ohne dogmatische Reflexe in der innerlinken Debatte um den 7. Oktober. - Wir sind weniger
Die politischen Entwicklungen in der Thüringer Landespolitik reihen sich ein in den weltweiten Rechtsruck. Aus einem nicht mehr enden wollenden Fiebertraum berichtet Ox Y. Moron. - Als Linke wieder handlungsfähig werden – Interview mit der Stadtteilgewerkschaft Erfurt-Nord
Sogenannte (Stadtteil-)Basisarbeit beschreibt den Versuch einer Neuausrichtung linksradikaler Politik und einer neuen Klassenpolitik. In Erfurt hat sich eine Gruppe gegründet, die nach dem Beratungs-Organisations-Ansatz Stadtteilarbeit betreiben will. Die Lirabelle war im Dezember 2024 mit Aktiven der Stadtteilgewerkschaft aus Erfurt im Gespräch. - Idee und Kritik des Community Organizings
Nach Jena gründet sich nun auch in Erfurt eine Stadtteilgewerkschaft. Max Unkraut beschäftigt sich in folgendem Artikel mit dem Thema Community Organizing, aus dem sich die Idee speist, und unterzieht ihn einer Kritik. Der Artikel soll jedoch nicht bloß kritisieren, sondern einen breiteren Einblick in die Praxis für diejenigen gewähren, die sich noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben. Teil 1 von 2. - Erinnerungen und Geschichte. Zur Geschichte von ‚Wi(e)der die Natur‘
Obwohl sie nie aufgelöst wurde, war die queer-feministische Gruppe wi(e)derdienatur schon mehr als zehn Jahre nicht mehr aktiv. Ein neues Interesse an Bewegungsgeschichte bewog Madame Yvette dazu, über die Gruppe zu schreiben. - Das war einer der größten Knallköppe auf Erden – Nachruf auf Lothar
Über Lothar König einen Nachruf schreiben kann ziemlich simpel sein. Man muss nur sein zivilgesellschaftliches Engagement erwähnen und dass er aber auch „streitbar“ war. Pustekuchen! findet Maulow. - 100 Jahre Rote Hilfe – Feier in Erfurt: füreinander da sein
Am 13.12.2024 wurde in Erfurt mit einer fetten Feier und Genoss:innen von Nah und Fern das 100-jährige Bestehen der Roten Hilfe zelebriert. Bei der Eröffnung mit Sekt, Gesang und Festreden sprach auch ein:e Antifaschist:in und Aktivist:in, die im Nachgang des 1. Mai 2023 in Gera von einer Hausdurchsuchung und anhaltender Repression betroffen ist. - Kritik der Kritik der Konsumkritik
Früher gehörte Konsumkritik zum guten Ton unter Linken. Das hat manchmal ganz schön genervt, war aber immer noch besser als eine naive Auffassung von Konsum als Emanzipation – findet Karl Meyerbeer und wünscht sich die gute alte Konsumkritik zurück. - Niemand hat die Absicht, ein Bußgeld für eine Abschiebeblockade zu zahlenl!
Ein:e von vielen Aktivist:innen verteidigt sich im August 2024 vor dem Amtsgericht Arnstadt gegen ein Bußgeld wegen einer blockierten Abschiebung – erfolgreich. Die Abschiebung wurde verhindert, das Verfahren endet mit Freispruch. Die Prozesserklärung der beschuldigten Person hier das erste mal zum Nachlesen, von Nono Borderborder vom Solikreis Arnstadt. - Der Ermittlungsausschuss Erfurt stellt sich vor
- Repressionsschnipsel
- Mit Antifeminist*innen gegen die ‚Gender-Ideologie‘
Der Förderverein »Frauenheldinnen« vernetzt Teile der Frauenbewegung mit der gesellschaftlichen Rechten im gemeinsamen Kampf gegen trans Rechte und queeren Feminismus – argumentiert Noah in einem Text, der uns nach Redaktionsschluss erreicht hat.